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Die neue Große Koalition steht, die Kernthemen des Koalitionsvertrages auch – und doch gibt es einige Bereiche, die weiterhin stark umstritten sind und im öffentlichen Fokus stehen. Ein Beispiel ist die sogenannte „sachgrundlose Befristung“. Hier plant die GroKo eine Einschränkung befristeter Arbeitsverträge. Aber was ist das überhaupt, diese „sachgrundlose Befristung“. Und wie wirkt sie sich aus? Was sind die Vor- und Nachteile? Manuela Schwarz, Geschäftsführerin des Personaldienstleisters „Top Arbeitgebers 2017“ equal personal und Vorstandsmitglied beim iGZ erklärt im Interview das Gesetzes-Vorhaben der Großen Koalition und stellt fest, dass es derzeit wesentlich dringendere Probleme am Arbeitsmarkt gibt – wie zum Beispiel die zu hohen bürokratischen Hürden für ausländische Fachkräfte.
Die „sachgrundlose Befristung“ soll abgeschafft werden. Viele wissen aber gar nicht, was das genau bedeutet. Was genau ist diese „sachgrundlose Befristung“?
Bisher ist es so, dass ein Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag befristen kann, ohne dass es dafür eine Sachbegründung gibt. Die Befristung darf aktuell auf eine maximale Dauer von zwei Jahren befristet werden und innerhalb der Befristung drei Mal verlängert werden. Diese Möglichkeit soll jetzt abgeschafft werden beziehungsweise nur noch sehr eingeschränkt möglich sein.
Warum löst sie solche Diskussionen aus? Was sind die Vorteile, was die Nachteile?
Eine Befristung bedeutet für den Arbeitnehmer immer eine Unsicherheit und endet oft nach Befristungsende wieder in der Arbeitslosigkeit. Für Unternehmen bietet die Befristung aber Flexibilität, um sich an Auftragsschwankungen und wirtschaftliche Veränderungen anpassen zu können.
Die große Koalition hat sich daher darauf geeinigt mit einem neuen Befristungsgesetz für die Arbeitnehmer mehr Sicherheit zu schaffen. Das bedeutet aber gleichzeitig für die Unternehmen ein Verlust an Flexibilisierungsmöglichkeiten. Das ist nach der Regulierung der Zeitarbeit im Bereich der Höchstüberlassungsdauer dann der zweite Eingriff in die Flexibilisierungsinstrumente der Wirtschaft.
Viele Arbeitsrechtsexperten sehen eher in den endlosen Befristungen mit Sachgrund ein Problem als in den sachgrundlosen. Hinzu kommt ja die Sonderregel für den öffentlichen Dienst. Wie sehen Sie das?
Tatsächlich bedeutet eine Befristung, egal ob mit oder ohne Sachgrund, aus Arbeitnehmersicht immer eine Unsicherheit - und natürlich die Gefahr der Arbeitslosigkeit nach Befristungsende. Das ist für die meisten eine psychische Belastung, die sich negativ auf die Lebensqualität auswirkt. Das ist auch der Grund, warum wir bei equal personal keine Befristungen vornehmen, es sei denn, der Mitarbeiter selber wünscht dieses. Zum Beispiel weil er ein Studium beginnt, oder einen anderen Grund hat, warum er nur eine bestimmte Zeit bei uns arbeiten möchte.
Meiner Meinung nach sollte der Gesetzgeber gar nicht regulierend eingreifen, weder in die Befristungen, noch in die Höchstüberlassungsdauer der Zeitarbeit. Ein Arbeitnehmer hat ja immer die freie Wahl, ob er das Arbeitsverhältnis unter den Bedingungen eingeht oder nicht. Aber wenn es schon Regulierungen gibt, dann bitte einheitlich und nicht mit Ausnahmen für bestimmte Branchen. Das ist inkonsequent.
Wie würde sich die Streichung der „sachgrundlosen Befristung“ auf Zeitarbeit auswirken?
Das ist für die Meisten in unserer Branche ein zweischneidiges Schwert. Einerseits werden viele Unternehmen mehr auf das Flexibilisierungsinstrument Zeitarbeit zurückgreifen, da es weniger Aufwand und mehr Flexibilität bedeutet. Die Unternehmen dürfen ja dann in Zukunft, bei einer Betriebsgröße von mehr als 75 Mitarbeitern, nur noch 2,5 % der Belegschaft sachgrundlos befristen und das auch nur noch für maximal 18 Monate. Dadurch werden die Unternehmen andere Flexibilisierungsmöglichkeiten benötigen. Hier ist die Zeitarbeit mit allen Vorteilen unschlagbar.
Die andere Seite ist aber, dass die Regulierung ja auch für die Zeitarbeitsunternehmen gilt. Und leider hat die neue AÜG-Reform dazu geführt, dass viele Personaldienstleister inzwischen mehr befristet haben, um die Auswirkungen des equal pay und der Höchstüberlassungsgrenze abzufangen. Diese Möglichkeit ist mit dem neuen Befristungsgesetz auch stark eingeschränkt. Für mein Unternehmen wird sich durch das Gesetz nichts ändern, da wir trotz AÜG Reform nicht befristen.
Können Sie das an einem konkreten Beispielen erläutern?
Wenn ein Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern bisher 200 Mitarbeiter (20%) befristet hat, dann darf das Unternehmen nach dem neuen Gesetz nur noch 25 Mitarbeiter (2,5%) für maximal 18 Monate befristen. Der Rest müsste entweder fest eingestellt oder über Zeitarbeit eingesetzt werden.
Gibt es dringendere Probleme am Arbeitsmarkt als die Abschaffung der „sachgrundlosen Befristung“?
Allerdings, wir haben in Baden-Württemberg und Bayern Vollbeschäftigung, und bundesweit leiden wir unter Fachkräftemangel. Wir haben ein großes Potential an ausländischen Fachkräften und damit meine ich nicht nur die Flüchtlinge, die aufgrund von Sprachproblemen oder aufgrund von fehlender Arbeitserlaubnis dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. An der Lösung dieser Probleme sollte die neue Regierung arbeiten und die Bürokratie und Einschränkungen für Ausländer, die arbeiten wollen, abschaffen.
Außerdem wäre mein Wunsch an die große Koalition eine Rücknahme der Regulierung der Höchstüberlassungsdauer in der Zeitarbeit, denn diese Einschränkung bringt wirklich keiner Seite Vorteile. Letztlich gibt es auf allen Seiten nur Verlierer und am meisten schadet das Gesetz unseren Arbeitnehmern.
Mehr Infos gibt es bei equalpersonal und JobSelektor.