Foto: Schwärzler
Güterbahnhof Areal
Wenn Tübingen eines hat, dann ein massives Wohnungsproblem. Bezahlbarer Wohnraum in der Uni-Stadt ist rar, obwohl an ihren Rändern in den vergangenen Jahren teils große und wegweisende neue Wohnquartiere entstanden. Jetzt bietet sich mitten in der Stadt die Möglichkeit, in großem Maßstab neuen Wohnraum zu schaffen: Das Gelände des Güterbahnhofs wird komplett umgekrempelt. Auf zehn Hektar ehemaligen Bahngeländes soll bis 2020 ein lebendiges neues Viertel mit 570 Wohnungen und Wohnraum für 1.000 Menschen entstehen.
Der ehemalige Güterbahnhof stand bisher nicht auf der Liste von Tübingens schönsten Flecken. Mit Tags besprühte Hallen und nur wenig Grün luden nicht gerade zum Flanieren ein. Das wird sich in naher Zukunft ändern, denn gegenüber dem Depot tut sich etwas. Auf der zehn Hektar großen Fläche zwischen Bahntrasse und der Eisenbahnstraße soll bis 2020 ein neues Stadtquartier und damit dringend benötigter Wohnraum entstehen. Die 570 neuen Wohnungen bieten Platz für 1.000 Menschen – und das mitten in der Stadt. Die alte Bebauung wurde bereits abgerissen, nur die Güterhalle blieb stehen. Sie wird renoviert und in Zukunft das Stadtarchiv beherbergen. Momentan werden noch Schutt und Altlasten abgeräumt, anschließend werden Baustraßen und Infrastruktur verlegt. Im Herbst 2016 soll es dann mit dem Bau der neuen, bis zu sechs Stockwerke hohen Gebäude losgehen. Neben Wohnungen sind auch Büros und Flächen für Gastronomie, kleine Geschäfte und Dienstleister vorgesehen. Wenn drei Jahre später schließlich alle Häuser an den sechs Höfen stehen, wird das Areal rundherum noch mit Sitzgelegenheiten und vielen Bäumen aufgehübscht. Bei der Entwicklung des Areals ist der Stadt vor allem eines wichtig: Vielfalt. Im neuen Quartier sollen sich Alt und Jung wohlfühlen, ein lebendiger Stadtteil mit einer gesunden Mischung aus Bewohnern jeden Alters und aller gesellschaftlichen Schichten, mit Wohnungen, Geschäften, Plätzen, Kindergarten, Spielplatz und viel Grün, soll entstehen. »Das wird der urbanste Ort Tübingens«, ist Uwe Wulfrath von der Wirtschaftsförderung Tübingen (WIT) überzeugt.
ungewöhnliche Ideen
Die guten Erfahrungen, die die Stadt in den vergangenen Jahren beim Bau des Mühlenviertels und der Alten Weberei mit einem Mix aus Bauträgern und Baugruppen gemacht hat, sollen auch in die Entwicklung des neuen Viertels einfließen. Den Großteil der Gebäude werden zwar Bauträger hochziehen, einen Teil der Grundstücke vergab die WIT aber an private Baugruppen – nicht an die Meistbietenden, sondern an diejenigen, die mit ihrem Vorschlag am besten in das städtebauliche Konzept für das Viertel passen. Mehr als 51 Baugruppen mit teils unkonventionellen und innovativen Ideen hatten sich für die Bauplätze beworben. Letztendlich kommen aber nur 13 Konzepte zum Zug. »Da gibt es nichts, was es nicht gibt«, erzählt Wulfrath. Eine Baugruppe will beispielsweise, inspiriert von den Schrebergärten entlang der Bahnlinie, auf dem Dach einen Gemüsegarten anlegen und im Haus eine Ludothek, also einen Spieleverleih, aufziehen. Eine andere Baugruppe plant ein Restaurant mit gläserner Tofu-Produktion, und wieder eine andere will einen Tauschring für das Viertel einrichten. Allen Baugruppen gemein ist, dass sie nach energetischen Gesichtspunkten bauen, sehr viel Wert auf Gemeinschaft im Haus und im Viertel legen und in ihren Gebäuden viel günstiger Wohnraum für Familien, Menschen mit Handicap und zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen entstehen wird. Allen Interessierten, die diesmal nicht den Zuschlag erhalten haben, rät Wulfrath, sich für das nächste Stadtentwicklungs-Projekt erneut zu bewerben. »Am Hechinger Eck wird in zwei Jahren das nächste Quartier gebaut«, erklärt er. »Das aber wieder deutlich kleiner.« Christoph Schwärzler
Zahlen und Fakten zum Güterbahnhof-Quartier
Fläche: Zehn Hektar
Nutzung: 570 Wohnungen, Büros, Unternehmen, Kindergarten, Spielplatz
Bewohner: ca. 1.000
Bauzeit: Frühjahr 2015 bis 2020
Grundstückspreis: zwischen 180 und 490 Euro pro Quadratmeter