Sie arbeiten eng zusammen: Die Stadt Heilbronn und die Dieter Schwarz Stiftung. Das gemeinsame Ziel? Die Region als Bildungsstandort voranzutreiben und das Stadtbild nachhaltig zu beleben. Zu diesem Zweck wurde der Bildungscampus als Ort des lebenslangen Lernens etabliert. Mit MORITZ sprechen die Geschäftsführer Prof. Reinhold R. Geilsdörfer und Silke Lohmiller über die Entwicklung, Herausforderungen und Zukunftspläne der Dieter Schwarz Stiftung.
Wie würden Sie die Philosophie bzw. die Idee hinter dem Bildungscampus beschreiben?
Lohmiller: Ziel der Stiftung war es von Anfang an, Raum für Bildung und Wissenschaft zu schaffen, die nach unserer Überzeugung nicht nur das Fundament für ein selbstbestimmtes Leben sind, sondern auch für den Wohlstand der Gesellschaft. In diesem Sinne hat die Stiftung nicht nur Gebäude für wichtige Bildungseinrichtungen erstellt, sondern auch städtebaulich ein Statement für eine Wissensstadt geschaffen.
Stichwort Transformation: Wie hat sich der Bildungscampus über die Jahre entwickelt bzw. verändert?
Geilsdörfer: Da muss man klar sagen, der Appetit ist ja natürlich auch mit dem Essen gekommen. Unsere Vorgänger an der Spitze der Stiftung hatten einen guten Riecher für die wichtigen Themen der Zeit. Ich glaube, damals hätten sie sich nicht erträumen können, welche Dimensionen der Bildungscampus annehmen würde. Hier werden bald 10.000 Menschen studieren und forschen. Aber wir haben mit der Entwicklung festgestellt, dass wir eine überregionale und internationale Sichtbarkeit brauchen, um in der Region erfolgreich sein zu können. Deswegen arbeiten wir in den letzten Jahren intensiv an der nationalen sowie internationalen Vernetzung. In diesem Bereich sind die Campus Founders ebenso wie die TU München wichtige Bausteine.
Ein weiteres großes Thema in dem angesprochenen Transformationsprozess ist die Digitalisierung und Forschung im IT-Bereich. Da haben wir in allen Bereichen massiv ausgebaut und tun es auch weiterhin: Es wird neue Bachelor- und Masterstudiengänge geben, dazu haben wir mit dem ersten Standort der Coding Schule 42 in Deutschland wichtige Akzente gesetzt.
Das Konzept des Bildungscampus fördert junge Menschen im Wesentlichen von sehr früh an und dann durch alle wichtigen Entwicklungsstadien, richtig?
Lohmiller: Genau. Wir fangen mit der Förderung schon mit dem Haus der Familie an, wo es niederschwellige Angebote für die ganz Kleinen gibt, gehen dann weiter zur aim mit Weiterbildung für Pädagogen und Sprachförderung an den Grundschulen und dann zur Josef-Schwarz-Schule. Nicht zu vergessen ist unsere Erzieherakademie. Es gibt einen großen Bedarf an qualifizierten Erzieherinnen, die ihrerseits in der frühkindlichen Bildung wirken und Akzente setzen. Mit der experimenta sind wir stark in dem Bereich MINT-Förderung – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – engagiert. Wir stehen als Stiftung bewusst für ganzheitliche Ansätze entlang der Bildungsbiografien.
In welche Richtung soll sich der Bildungscampus noch weiterentwickeln? Gibt es Pläne?
Geilsdörfer: Die nächsten Anstrengungen werden sich stark auf die internationale Vernetzung konzentrieren. Das wird die große Herausforderung sein, die Sichtbarkeit und das Image von Heilbronn weiter voranzutreiben und zu entwickeln – vor allem durch die Kooperation mit bekannten Universitäten, indem wir Stiftungsprofessuren fördern. Unter anderem passiert das bereits an renommierten Orten wie Oxford, Stanford oder Paris. Über den Start-up-Bereich haben wir auch bereits Kontakt mit Israel, da wird sich auch bestimmt noch einiges entwickeln. Ein weiteres großes Thema wird sein, dass wir massiv die Forschung fördern. Bei allem muss im Vordergrund stehen, dass es Heilbronn als Stadt voranbringen soll.
Gab es in dieser Entwicklung etwas, das Sie als Geschäftsführung überrascht hat?
Lohmiller: Wir sind manchmal überrascht von dem Tempo, in dem die Entwicklungen hier auf dem Bildungscampus vorangehen. Positiv überrascht hat uns auch in den vergangenen Jahren die Möglichkeit, Einrichtungen und Institutionen nach Heilbronn zu holen. Das war am Anfang schon schwieriger, da Heilbronn ein weißer Fleck war. Mittlerweile tun wir uns da sehr viel leichter. Man kennt Heilbronn und nimmt uns wahr.
Sicher auch Teil der positiven Entwicklung des Bildungscampus ist die Lage unserer Bildungseinrichtungen. Wir sind mitten in der Stadt. Zum Bahnhof sind es nur wenige Gehminuten. Alles ist hier bestens fußläufig erreichbar, was auch im Sinne der Ökologie von großem Vorteil ist. Dies wirkt belebend auf die Stadt. Wenn man zum Beispiel am Neckar entlang geht, kann man deutlich spüren, wie diese Stadt pulsiert.
Wie ist die Resonanz, die bei Ihnen ankommt?
Lohmiller: Ich glaube, wir haben den Vorteil, dass bei uns immer nur das Positive ankommt (lacht). In meinen Bereich fällt ja unter anderem die experimenta in Heilbronn, die war sehr erfolgreich im ersten Jahr. Durch die BUGA wurde die Resonanz nochmal verstärkt und viele Besucher der experimenta haben sich da überaus positiv geäußert und wollen definitiv wiederkommen – das ist leider aktuell nicht möglich. Die experimenta hat während Corona bereits früh geschlossen. Als wieder geöffnet war, wurde die experimenta im Rahmen der Beschränkungen sehr gut an- und wahrgenommen.
Gibt es etwas, auf das Sie besonders stolz sind?
Geilsdörfer: Stolz ist so ein schwieriges Wort. Ich glaube, wir sehen den Erfolg des Bildungscampus eher mit Demut. Man muss sagen, wir hatten – bei all der Arbeit, die wir investiert haben – in einigen Bereichen auch einfach Glück gehabt, dass wir die richtigen Partner dazubekommen haben. Auch dass wir das Gelände des Bildungscampus baulich so erweitern konnten, war schlussendlich ein Glücksfall. Das waren alles Dinge, an die hat man damals bei der Gründung noch gar nicht gedacht. Das ist ein toller Erfolg.
Lohmiller: Ich sage immer, wir sind dankbar für die Möglichkeiten, die wir haben.
Wie würden Sie das Verhältnis zwischen der Dieter Schwarz Stiftung und der Stadt Heilbronn beschreiben?
Geilsdörfer: Ich glaube, was wir der Stadt tatsächlich bringen, ist dass wir mit unseren Einrichtungen junge Menschen nach Heilbronn holen und dadurch die Stadt zusätzlich beleben. Die Studierenden der TUM kommen zu 70 Prozent aus nicht europäischen Ländern. Das ist ja auch ein Ziel, das wir uns durchaus auf die Fahne geschrieben haben, dass wir Heilbronn verändern. Wenn man mal fünf Jahre zurückgeht, da haben wir kaum Studierende in der Stadt gesehen. Der Einzugsbereich der Hochschulen war relativ überschaubar. Studierende sind abends heimgefahren. Heilbronn wurde da nicht in dem Maße belebt, wie wir uns das eigentlich vorgestellt hatten. Unser Ziel ist, wenn erstmal alles ausgebaut ist, hier einen Campus mit 10.000 Studierenden zu haben. Das wird dann auch eine ganz andere Stadtgesellschaft werden.
Was hat sich durch Corona beim Bildungscampus geändert?
Geilsdörfer: Man muss sagen, die Hochschulen haben das sehr gut in den Griff bekommen. Wenn man mit den Studierenden spricht, gibt es eine relativ hohe Zufriedenheit über das, was geleistet wurde. Das kann aber natürlich alles keine dauerhafte Lösung sein: Bildung lebt zu einem gewissen Teil eben auch von persönlichen Kontakten, Networking und Austausch. Das wird auch wieder zurückkehren.
Lohmiller: Das gilt ähnlich auch für die Schulen. Die sind natürlich recht schnell zum Präsenzunterricht übergegangen, weil den Schülern die soziale Nähe gefehlt hat. Unsere Erstsemester waren zur Einführungsveranstaltung hier auf dem Campus, damit sie sich kennenlernen. Die Bibliothek war natürlich über weite Strecken 2020 geschlossen und ist auch aktuell wieder geschlossen.
Geilsdörfer: Sobald wir jetzt weiter bauen, werden die Gebäude definitiv etwas anders aussehen, so viel kann man jetzt schon sagen. Wir werden auf flexiblere Strukturen setzen, die über die bloße Seminarraumaufteilung hinausgehen werden. Da müssen wir aber ein Stück weit auch einfach die weitere Corona-Entwicklung abwarten. Welche Anforderungen es geben wird und ab wann wieder ein 100-prozentiger Präsenzunterricht möglich ist, lässt sich nicht absehen.
Lohmiller: Die Josef-Schwarz-Schule in Erlenbach ist beispielsweise schon sehr zukunftsorientiert gestaltet, da gibt es schon keine typischen Klassenzimmer und viel läuft bereits digital. Das soll dann natürlich auch im neuen Gebäude fortgesetzt werden.
Wo sehen Sie den Bildungscampus in zehn Jahren? Oder planen Sie nicht so weit im Voraus?
Geilsdörfer: Also eine Sicht auf die nächsten 10 Jahre haben wir so nicht, da spielen so viele Faktoren und Veränderungen in der Wirtschaft und der Gesellschaft eine Rolle, das können wir im Moment noch gar nicht absehen. Wir haben aber eine klare Vorstellung, was unsere nächsten Projekte sind und wo wir gerne hinmöchten. Selbstverständlich wird der Campus nochmal massiv wachsen, es werden neue Gebäude dazukommen, es werden neue Themen dazukommen. Es wird aber alles im Bereich Bildung und Wissenschaft bleiben.
Lohmiller: Die Herausforderung ist, auf aktuelle Trends und Entwicklungen reagieren zu können und dabei zu schauen, wie auch in Zukunft Strukturen geschaffen werden können, die darauf eingehen und solange wie möglich zeitgemäß bleiben.
Dieter Schwarz Stiftung gGmbH
Rötelstraße 35, 74172 Neckarsulm
Office: Bildungscampus 9, 74076 Heilbronn
Fon: 07132-307024, www.dieter-schwarz-stiftung.de
Bei der Dieter Schwarz Stiftung handelt es sich um eine gemeinnützige Förderstiftung des deutschen Unternehmers Dieter Schwarz. Bereits seit 1999 engagiert sich die Stiftung, die ihren Sitz in Heilbronn hat, in der Region und weit darüber hinaus. Das Ziel ist, ein breites Spektrum an Bildungsangeboten für Menschen in verschiedenen Lebensphasen zu bieten. Deshalb lautet das Credo der Dieter Schwarz Stiftung auch: »Bildung fördern, Wissen teilen, Zukunft wagen«