Von zweieinhalb Mitarbeiter*innen und 86 Studierenden in einem Hinterhof zu 125 Beschäftigten und über 1300 Studierenden – die Duale Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn ist in zehn Jahren weit gekommen. Von Anfang an dabei war Rektorin Prof. Dr. Nicole Graf, die 2020 einstimmig wiedergewählt wurde. Sie erzählt MORITZ, wie sich die DHBW Heilbronn entwickelt hat und was noch für die Zukunft geplant ist.
Nachträglich nochmal Glückwunsch zur Wiederwahl 2020. Wie fühlt sich das an?
Es fühlt sich sehr gut an – trotz aller Umstände. 2020 war ja in mehrfacher Hinsicht ein besonderes Jahr. Die DHBW Heilbronn feierte in diesem Jahr nämlich ihr 10-jähriges Jubiläum. Die dazu geplanten Veranstaltungen sind leider im letzten Jahr Corona zum Opfer gefallen. Dennoch sind wir stolz auf das, was in dieser Zeit entstanden ist. Mitten im Lockdown, im Mai 2020 haben wir beim bundesweiten Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung CHE in allen Bewertungskategorien bundesweit Spitzenplätze erreicht. Dieses Highlight war für uns eine Bestätigung, dass wir mit hoher Qualität in der Lehre und hervorragenden Rahmenbedingungen auf dem Bildungscampus unsere Studierenden für die Wirtschaft qualifizieren.
Sie haben ja schon das 10-jährige Jubiläum letztes Jahr erwähnt. Die DHBW war von Anfang an auf dem Bildungscampus angesiedelt. Können Sie die ersten Schritte beschreiben?
Es waren halt wirklich die Kinderschuhe, fast schon ein embryonales Stadium (lacht). Wir haben mit zweieinhalb Mitarbeiter*innen und 86 Erstsemester-Studierenden in einem Hinterhof angefangen und hatten wenig mehr als unseren Enthusiasmus. Mittlerweile arbeiten über 125 Beschäftigte und Professor*innen daran, erfolgreichen Fach- und Führungskräftenachwuchs für die Wirtschaft zu qualifizieren, die Studierendenzahl ist auf über 1.300 gewachsen. Von Anfang an strebten wir die feste Verankerung in der Region an, gleichzeitig wollten wir mit unserem Portfolio aber auch bundesweite Strahlkraft entwickeln. Es war eine aufregende Zeit.
Was waren für Sie die wichtigsten Entwicklungsstufen, die die DHBW in den 10 Jahren durchlaufen hat?
Ein ganz wesentlicher Meilenstein war der Bezug des Bildungscampus im Herbst 2011. Das war ein beeindruckendes Erlebnis mit einer dreitägigen Eröffnungsveranstaltung, bei der auch der Ministerpräsident anwesend war - das bleibt einem einfach nachhaltig im Gedächtnis. 2014 erreichten wir dann ein weiteres wichtiges Ziel, indem wir von der Außenstelle zur selbstständigen Studienakademie wurden. Dazwischen und danach gab es natürlich immer wieder kleinere, aber ebenso wichtige Schritte, sei es die Einführung neuer Studiengänge wie Wein – Technologie – Management oder im letzten Herbst die digitalen Studienangebote, weiteres Wachstum oder die Arbeit an unserem Profil als Kaderschmiede der Lebensmittelbranche in ganz Deutschland.
Was ist dabei für Sie der wichtigste Grundsatz?
Aus meiner Sicht sind es zwei Aspekte, auf denen unser Erfolg gründet: Zum einen die Verbindungen und Netzwerke in die regionale und überregionale Wirtschaft hinein - und damit verbunden die Expertise unserer Professorinnen und Professoren, die als Sparringspartner der Branche an vorderster Front stehen. Das zeigt sich zum Beispiel beim jährlich stattfindenden Fachsymposium, den Retail Innovation Days, die alle wichtigen Akteure in deutschen Handel in Heilbronn versammeln. Der zweite Erfolgsfaktor besteht darin, diese Expertise in ein Curriculum zu übersetzen und damit unseren Studierenden die Qualifikationen zu vermitteln, mit denen sie nach dem Bachelor-Abschluss sofort „flugfähig“ werden. Unsere Absolvent*innen erleben auch jetzt in der Coronakrise keinen Einbruch in der Übernahmequote, sie werden trotz gebeutelter Wirtschaft auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor eingestellt.
Wie hat Corona Einfluss auf die Arbeit an der DHBW und den Alltag der Student*innen?
Für uns war es ein Paradigmenwechsel, als am 13. März 2020 verkündet wurde, dass der Präsenzunterricht eingestellt werden muss. Das duale Studienmodell der DHBW ist komplett auf die intensive Betreuung in Präsenz inklusive dem Lernen voneinander ausgelegt. Das hat für die Persönlichkeitsentwicklung und den Reifeprozess der Studierenden wichtige Auswirkungen. Trotz dieser Herausforderung haben wir den plötzlichen Wechsel technisch gut meistern können, das spiegeln uns die Studierenden und die Dualen Partner wider. Dennoch wünschen wir uns natürlich eine schnellstmögliche Rückkehr zu einem wie auch immer gearteten Präsenzanteil, sobald das Infektionsgeschehen dies wieder zulässt. Was mir für die Studierenden enorm leid tut, ist der soziale Aspekt, der ja eigentlich einen Großteil des Studiums ausmacht – gemeinsam feiern, lernen, sich kennenlernen, Kochparties, das fehlt derzeit alles.
Auch der Bereich Forschung hat an der DHBW zunehmend an Bedeutung gewonnen. Können Sie darauf eingehen?
Wir sind sehr früh in das Thema Bildungsforschung eingestiegen und konnten etliche internationale Projekte gewinnen, auch mit durchaus renommierten Hochschulen und Unternehmen. Bei den Forschungsprojekten ist mir die direkte Anknüpfung an die Kompetenzen in unseren Studiengängen besonders wichtig. 2019 zum Beispiel haben wir ein sehr spannendes Projekt gestartet, in dem es darum geht, mit der Weinbranche in Baden-Württemberg alkoholfreie und -reduzierte Sekte und Weine zu entwickeln, die dem Verbraucher auch schmecken. Aktuell entwickeln wir im Bereich Food Management ein Projekt, in dem es um das Thema personalisierte Ernährung geht. Darüber hinaus gibt es sehr viele kleinere Forschungsvorhaben, die gemeinsam mit Unternehmen aus der Region vorangetrieben werden. Für die Zukunft habe ich mir in diesem Bereich vorgenommen, stärkere Synergien zu schaffen, also mit den anderen Instituten auf dem Bildungscampus gemeinsame Forschungsanträge zu stellen.
Was ist weiterhin für die Zukunft der DHBW geplant?
Wir haben glücklicherweise durch unsere neuen Studiengänge wie Wein – Technologie − Management und Wirtschaftsinformatik die Perspektive, uns in neue technologische Felder hinein zu entwickeln. Damit verbunden ist ein Kapazitätswachstum. Wir wollen also nicht nur inhaltlich, sondern auch räumlich weiterwachsen, das wird uns ja dankenswerterweise von der Dieter Schwarz Stiftung ermöglicht. Darüber hinaus haben wir die Absicht, durch die bereits angesprochene Verknüpfung mit den anderen Instituten den Bildungsstandort Heilbronn deutlich sichtbarer zu machen. Es hat mich sehr gefreut, zu sehen, dass die DHBW Heilbronn überregional immer mehr Unternehmen ein Begriff ist - das wollen wir natürlich noch weiter ausbauen. Ebenfalls sehr, sehr wichtig ist - das hat Corona gezeigt - die Digitalisierung der Studiengänge. Dabei sind wir hoffentlich nicht wieder gezwungen, in kürzester Zeit von 0 auf 100 zu beschleunigen, sondern können das sinnvoll so gestalten, dass den Studierenden mehr Flexibilität geboten wird.
Wie ordnen Sie den Begriff »Wissensstadt« in Bezug auf Heilbronn und die DHBW ein?
Die DHBW Heilbronn war in diesem Bereich ein sehr früher Impulsgeber, denn wir haben schon bei unserem Einzug auf dem Bildungscampus die Themen Studentenstadt und Bildung voranzutreiben versucht. Wenn man heute das gesamte Portfolio betrachtet, zu dem ja mittlerweile auch die TU München, das Steinbeis-Institut oder die École 42 gehören, dann merkt man, dass Hochschulen im Allgemeinen eine positive Wirkung auf das Wirtschaftsumfeld ihrer jeweiligen Region haben. Das Thema Bildung als Treiber für wirtschaftliche Entwicklungen ist von hoher Bedeutung und ich sehe schon, dass das in Heilbronn auch bewusst wahrgenommen wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir auf dem besten Wege sind, eine der herausragenden Studienstädte in ganz Deutschland zu werden.
Duale Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn
Bildungscampus 4, 74076 Heilbronn
Fon: 07131-1237-0, www.heilbronn.dhbw.de
Die DHBW Heilbronn ist der jüngste Standort unter dem Dach der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Das Studienangebot umfasst die betriebswirtschaftlichen Studiengänge Food Management, Handel und Dienstleistungsmanagement mit Schwerpunkten wie Media, Vertrieb und Kommunikation, Consulting & Sales, Human Resources und Sportmanagement. Darüber hinaus hat die DHBW 2019 den dualen Studiengang Wein – Technologie – Management zusammen mit der LVWO Weinsberg gestartet und 2020 zwei digitale Studienangebote ins Leben gerufen: BWL-Digital Commerce Management und Wirtschaftsinformatik.