Der eklatante Fachkräftemangel geht Hand in Hand mit der verzweifelten Suche der Betriebe nach geeigneten Auszubildenden.
Auch 2023 sind knapp drei Monate vor Beginn des neuen Ausbildungjahres sind noch viele Stellen unbesetzt. Im letzten Jahr blieben allein in Baden-Württemberg 11.300 Ausbildungsstellen auf dem Markt liegen. Laut Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des deutschen Handwerks, konnten deutschlandweit jährlich bis zu 20.000 Ausbildungsstellen in den handwerklichen Berufen nicht besetzt werden. Er betonte kürzlich gegenüber dem Handelsblatt: »Die Ausbildungsbereitschaft der Handwerksbetriebe ist ungebrochen.« Neben einer demographischen Entwicklung, die für niedrige Bewerberzahlen verantwortlich ist, hat gerade das Handwerk mit Vorurteilen zu kämpfen, wie zum Beispiel angeblich geringem Verdienst bei harter körperlicher Arbeit. Aber auch diese Ausbildungsangebote werden stetig weiterentwickelt und gerade im Handwerk sind die Aufstiegschancen nicht zu unterschätzen. Jeder zweite Handwerksbetrieb gab bei einer Umfrage zur Ausbildungssituation an, auf Stellengesuche keine geeigneten Bewerber zu finden. Die Betriebe fordern einen Ausbau der Berufsorientierung an allen Schulformen sowie eine Wiedereinführung des Werkunterrichts an allgemeinbildenden Schulen.
Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sieht ein Problem darin, dass die Akademisierung stetig zunimmt: »Inzwischen macht die Hälfte eines Jahrgangs Abitur. Ganz oft drängen Eltern ihre Kinder danach zum Studieren. Etliche brechen ab. Das muss nicht sein«, sagte Heil der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Gleichzeitig zu dieser Entwicklung steigt die Zahl an jungen Menschen ohne jeglichen Berufsabschluss. Marjoke Breuning, Vizepräsidentin des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages schlägt ob dieser Situation Alarm und betont: »Viele junge Menschen unterschätzen, dass man nicht studieren muss, um sich einen guten Lebensunterhalt zu sichern und auch vor Arbeitslosigkeit geschützt zu sein.«
Anfang Mai schlossen sich aus diesem Grund die Landesregierung, Wirtschaft, Gewerkschaften, die Bundesagentur für Arbeit und kommunale Landesverbände zu einem »Bündnis zur Stärkung der beruflichen Ausbildung und des Fachkräftenachwuchses 2023 bis 2027« zusammen, das sich zum Ziel gesetzt hat mehr junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen. Der Vorsitzende des Berufsschullehrerverbands begrüßte die Stärkung der beruflichen Ausbildung: „Insgesamt benötigen Ausbildungsbetriebe und berufliche Schulen mehr Unterstützung, damit das Erfolgsmodell duale Berufsausbildung auch in Zukunft die Basis des wirtschaftlichen Erfolges in Baden-Württemberg bleibt“. Gute Nachrichten sind immerhin, dass im Jahr 2021 mit 23,5 Prozent Baden-Württemberg den bundesweit geringsten Anteil vorzeitig gelöster Ausbildungsverträge aufwies.