Schlafapnoe: Die unterschätzte Volkskrankheit
Trotz der aktuellen Situation gibt es noch andere Krankheiten, die bei all der Aufregung nicht vergessen werden sollten – gerade, weil sie deutlich weniger medienwirksam sind. Schlafapnoe ist eine weit verbreitete Volkskrankheit, die jedoch oftmals unterschätzt wird. Dieter Wahl, selbst von Schlafapnoe betroffen und seit vielen Jahren in der Selbsthilfe tätig, klärt über das Krankheitsbild auf.
Gerade weil Schlafapnoe keine schmerzhafte Krankheit ist und oft unbemerkt bleibt, ist sie so gefährlich. Sie wirkt sich primär durch periodische Atemstörungen während des Schlafes aus. Dieses »Schnarchen mit Atempause« führt zu einer Weckreaktion, die von den Betroffenen normalerweise nicht bemerkt wird, weil sie zu kurz ist und vom Gehirn nicht registriert wird. Dadurch bekommt man allerdings den Tiefschlaf nicht, den das Gehirn benötigt, um sich zu erholen.
Es finden sich einige Faktoren, die eine Schlafapnoe auslösen können. Dazu gehören beispielsweise Übergewicht, anatomische Besonderheiten, die den Atemwiderstand erhöhen, etwa ein zurückliegender Unterkiefer, große Mandeln oder eine vergrößerte Zunge, verstärkte Muskelentspannung durch Alkohol, Medikamente oder Drogen, aber auch Schlafen in der Rückenlage. Wenn die Ursache für die Schlafapnoe nicht in den Atemwegen, sondern im Gehirn des Patienten, genauer in der Steuerzentrale der Atemmuskeln liegt, spricht man von einer »zentralen Schlafapnoe«. Die Atemaussetzer werden durch einen fehlenden Befehl aus dem Gehirn ausgelöst. Dies kann beispielsweise die Spätfolge eines Schlaganfalls sein.
Bei der Schlafapnoe erschlaffen die Muskeln, wenn man in den Tiefschlaf verfällt und es kommt zu einem Verschluss im Rachenraum. Zunge oder Gaumensegel verlegen die Luftröhre und man bekommt keine Luft mehr – das kann bis zu einer Minute oder länger gehen. Besonders gefährlich daran ist der Umstand, dass die Sauerstoffsättigung sehr stark abfällt; das Gehirn wird unterversorgt und es sterben Gehirnzellen ab.
Darüber hinaus führt Schlafapnoe oft zu Bluthochdruck. Zu weiteren möglichen Folgen gehören Diabetes, Herzinfarkt, Gehirnschlag oder Altersdemenz. Es lassen sich auch einige augenscheinlich weniger drastische Folgen feststellen, etwa eine generelle Müdigkeit und (verhältnismäßig plötzliches) Einschlafen bei alltäglichen Tätigkeiten, etwa Fernsehen, Lesen oder sogar bei Unterhaltungen. Besonders gefährlich kann der Sekundenschlaf beim Bedienen von Kraftfahrzeugen sein. Sekundenschlaf am Steuer hat nicht selten einen Unfall zur Folge – oft mit tödlichem Ausgang.
Das weiß Dieter Wahl, seit 40 Jahren als LKW-Fahrer im Fernverkehr tätig, nur allzu gut. Er leidet selbst an Schlafapnoe und befand sich genau in der beschriebenen Situation: Sekundenschlaf am Steuer. »Vor 20 Jahren hatte ich diesen Unfall«, berichtet er. »Und das nicht einfach nur mit einem gewöhnlichen PKW, sondern mit einem 40-Tonner. Das sind Erfahrungen, auf die man verzichten kann. Deshalb ist es wichtig, auf frühe Warnzeichen zu achten, die sonst gerne ignoriert werden. Frühmüdigkeit zum Beispiel.« Nach dem Unfall wurde die Schlafapnoe bei Dieter Wahl festgestellt.
Schlafapnoe kann zwar therapiert, aber nur in den seltensten Fällen wirklich geheilt werden. Im Rahmen seiner eigenen Erkrankung hat sich Dieter Wahl ausgiebig mit der Thematik beschäftigt. »Im Raum Schwäbisch Hall wurde eine Selbsthilfegruppe gegründet. Da ich damals nicht wusste, was für eine Krankheit ich da habe, bin ich mit der damaligen Selbsthilfegruppenleiterin auf verschiedene Kongresse gefahren und lernte dabei viele Betroffene kennen und schätzen. Ich bin anschließend beim Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen Deutschland e.V. (BSD) in den Vorstand gewählt worden und inzwischen sogar der stellvertretende Vorsitzende.«
Bei einem leichteren Fall von Schlafapnoe mit relativ eindeutigen Ursachen können bereits einfache Maßnahmen helfen, etwa Abbau von Übergewicht oder Verzicht auf Alkohol oder Medikamente wie Schlaftabletten. Eine Vermeidung der Rückenlage kann sich ebenfalls als wirkungsvoll erweisen. Die Therapie, die bei Schlafapnoe, besonders bei schweren Fällen, am häufigsten angewandt wird, ist die CPAP-Therapie (CPAP steht für »Continuous Positive Airway Pressure«, also » kontinuierlich positiver Atemwegsdruck«). Zur Anwendung dieser Therapie ist eine Maske notwendig, die während des Schlafs getragen wird und für Überdruck auf die Atemwege sorgt. Es existieren Modelle, die jeweils nur den Mund, nur die Nase oder beide bedecken. Die Nasenmaske ist dabei das am häufigsten verwendete Modell. Menschen, die nachts allerdings häufig durch den Mund atmen, sollten eher zu einer Maske greifen, die sowohl Nase als auch Mund bedeckt. Masken, die ausschließlich den Mund bedecken, existieren auch, werden aber nur sehr selten eingesetzt, beispielsweise wenn der Patient aufgrund von Verletzungen nicht durch die Nase atmen kann.
Dadurch wird eine Verengung der Atemwege verhindert, sodass dadurch auch Atemaussetzer verhindert werden können. Neben der CPAP-Methode gibt es noch weitere Therapieverfahren, u.a. »Bilevel Positive Airway Pressure« (BiPAP), hier wird der Druck an das Ein- und Ausatmen angepasst, und »Auto CPAP« (APAP), hier wird der nötige Druck bei jedem Atemzug vom Gerät neu ermittelt.
Das Tragen einer CPAP-Maske zum Schlafen ist natürlich eine Herausforderung und vor allem zu Beginn eine äußerst gewöhnungsbedürftige Angelegenheit. »Als ich das erste Mal mit Gerät und Maske schlafen musste, war es ein beklemmendes Gefühl«, berichtet Dieter Wahl von seinen Erfahrungen. »Ich hatte eine Nasenmaske und das Gerät war laut. Nach einer Woche mit dem richtig eingestellten Druck merkte ich schon die Verbesserung; ich war tagsüber nicht mehr so müde. Die Eingewöhnungszeit ist natürlich von Person zu Person unterschiedlich, das hängt auch von der Einstellung ab. Irgendwann fiel mir das Schlafen mit Maske nicht mehr schwer da ich wusste: Wenn du das nicht akzeptierst, dann kannst du deinen Beruf als Kraftfahrer an den Nagel hängen.« Bereits seit 18 Jahren schläft Dieter Wahl mit Maske, in dieser Zeit hat er drei verschiedene Modelle benutzt, seit zwei Jahren verwendet er eine »Full Face Mask« die Mund und Nase bedeckt. 2.600 Stunden pro Jahr trägt er die Maske, das entspricht etwa sieben Stunden pro Nacht. »Inzwischen sind die Geräte deutlich leiser geworden als in der Anfangszeit«, führt Dieter Wahl weiter aus. »Man muss eben das richtig Modell finden. Meine persönliche Meinung zu der Therapie: Ich schlafe lieber jede Nacht mit einem Rüssel und brauche keine Angst vor den Begleiterkrankungen einer unbehandelten Schlafapnoe haben und bin jeden Tag fit und nicht verschlafen und griesgrämig.«
Der Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen
Der Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen Deutschland e.V. (BSD) ist ein Dachverband, der seine Landesverbände und Selbsthilfe-gruppen (SHGs) über diese Krankheit informiert. Er hat viele Bücher und Flyer herausgebracht, aber auch Filme und Hörbücher produziert. Auf YouTube ist der BSD mit zwei Kanälen vertreten: Bei BSD TV und Schlaf TV 4.0 finden sich viele fundierte Videos. Schlaf 4.0 bringt einmal im Monat einen neuen Beitrag. Unter anderem tritt der BSD dafür ein, dass Schlaflabore und Homecare-Provider von den Kostenträgern auf eine Art und Weise honoriert werden, die es ermöglicht, für die Betroffenen eine qualifizierte Leistung zu erbringen. Der Fokus des Verbandes liegt bei der Patientenvertretung, ein essentielles Ziel ist es, eine rundum zufriedenstellende, verantwortungsbewusste Versorgung der Patienten zu gewährleisten.
Mehr Infos unter www.bsd-selbsthilfe.de und www.lvbwss.de