Jeder Deutsche verschwendet knapp 75 Kilogramm Lebensmittel pro Jahr. Um mehr Bewusstsein für dieses Problem zu schaffen, hat die Landtagsfraktion der CDU die Kampagne »Verwenden statt Verschwenden« gestartet. Im MORITZ–Interview erklärt Sarah Schweizer, Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Göppingen und Mitglied des Ernährungsausschusses, warum Lebensmittelverschwendung ein Problem ist, was hinter der Kampagne steckt und was man selbst tun kann, um nachhaltiger mit Lebensmitteln umzugehen.
Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit für Sie?
Als waldpolitische Sprecherin möchte ich bildlich sprechen – Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir nicht mehr Holz aus dem Wald holen als nachwachsen kann. Das gilt im finanziellen, sozialen und natürlich auch im ökologischen Sinne. Ich selbst kaufe meine Lebensmittel immer, wenn es mir möglich ist, an Hofläden oder Wochenmärkten ein. Als Jägerin ist es für mich ohnehin selbstverständlich, für einen Teil meiner Ernährung selbst zu sorgen. Frische regionale Produkte nahe am Entstehungsort bekommen zu können, sorgt für eine ganz andere Wertschätzung der Lebensmittel.
Die Lebensmittelverschwendung hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen und auch in Baden-Württemberg liegt man über dem Bundesdurchschnitt. Woran liegt das?
Es ist richtig, dass eine Menge von über 12 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr in der Bundesrepublik ihren Weg nicht vom Feld auf den Teller, sondern nur direkt in den Abfall findet. Das sind fast 75 Kilogramm pro Person und Jahr, die wir verschwenden. Die nahezu ständige Verfügbarkeit günstiger Nahrungsmittel hat leider dazu beigetragen, dass deren Wertschätzung zunehmend verloren gegangen ist und weiterhin verloren geht. Es wird zu viel gekauft, zu viel gekocht oder im Kühlschrank vergessen. Eine solche Art der Lebensmittelverschwendung ist weder ethisch, noch wirtschaftlich oder ökologisch vertretbar.
Um ein größeres Bewusstsein für dieses Problem zu schaffen hat die CDU-Landtagsfraktion die Kampagne »Verwenden statt Verschwenden« ins Leben gerufen. Was verbirgt sich hinter der Kampagne?
Wichtig war uns bei dem Thema jeden Einzelnen in den Blick zu nehmen. Immerhin werden rund 50 Prozent der Lebensmittel in Privathaushalten weggeworfen. Supermärkte sind hingegen nur für einen relativ kleinen Anteil von etwa vier Prozent verantwortlich. Deshalb wollen wir bei diesem Thema noch mehr die Menschen mitnehmen, indem wir sie direkt ansprechen und so ein neues Bewusstsein für das Thema schaffen. Gerade im Zuge des Ukraine-Krieges ist die Bedeutung von Lebensmitteln ja noch einmal virulenter ins Blickfeld vieler Bürgerinnen und Bürger gerückt worden. Ein zentrales Thema unserer Kampagne »Verwenden statt Verschwenden« ist die Wertschätzung von Lebensmitteln. Wenn man bedenkt, dass auf knapp 15 Prozent der deutschen Ackerfläche momentan Lebensmittel angebaut werden, die später im Mülleimer landen, dann ist das alles andere als nachhaltig.-Da müssen wir alle etwas gegen tun!
Mit welchen Maßnahmen wollen Sie der Lebensmittel-
verschwendung den Kampf ansagen?
Eine ganz wichtige Sache wäre eine Entschärfung des Mindesthaltbarkeitsdatums. Vielleicht sind wir Deutschen ein wenig zu obrigkeitshörig, aber allein das Überschreiten des Mindesthaltbarkeits-datums ist einer der Hauptgründe, weshalb Lebensmittel im Privaten weggeworfen werden. Vorbild kann Norwegen sein. Dort hat sich die Kennzeichnung »mindestens haltbar bis, aber nicht schlecht nach« etabliert, die durchaus positive Auswirkungen auf das Konsumverhalten hat. Eine zweite wichtige Maßnahme ist das Qualitätszeichen des Landes Baden-Württemberg (QZBW), mit dem der Regionalität im Ländle ein neues Gesicht gegeben und der Bezug zum Erzeuger hergestellt wird. Darüber hinaus arbeiten wir aktuell auch an einem Qualitätszeichen für Streuobst und für heimisches Wild. Gerade Wild ist schließlich die nachhaltigste Form der Fleischnutzung, da nur die natürlich im Wald vorkommenden Ressourcen von den Tieren gefressen werden. Aber wir möchten auch schon in der frühkindlichen Erziehung ansetzen, um früh ein echtes Bewusstsein für Lebensmittel zu schaffen. Hierzu gehören der verstärkte Einsatz von Kochschulbussen und ein Ernährungsführerschein, der Grundkenntnisse des Kochens vermitteln und über Schulgärten und Exkursionen an Bauernhöfen das Bewusstsein für den Ursprung des Essens stärken.
Welche Tipps haben Sie für unsere Leser, um die Lebensmittelverschwendung im Alltag zu reduzieren?
Der wichtigste Rat ist natürlich, bewusster einkaufen zu gehen und zu versuchen, nicht zu viel zu kaufen. Das schont die Geldbörse und die Umwelt am effektivsten. Aber natürlich kann es vorkommen, dass man zu viel im eigenen Kühlschrank hat. Hier gibt es auch auf kommunaler Ebene viele niedrigschwellige Angebote, die Abhilfe schaffen können. In meinem Wahlkreis in Göppingen gibt es mehrere »Food Sharing«-Angebote, bei denen man überschüssige Lebensmittel etwa vor eine Urlaubsreise z.B. in einem Kühlschrank im Bürgerhaus abgeben kann. Es ist immer sinnvoll die Angebote vor Ort zu kennen, um entscheiden zu können, ob man sie nutzen möchte
Alle Infos zur Kampagne »Verwenden statt Verschwenden« unter verwendung-statt-verschwendung.de