»Der Ehrgeiz, ein Theater zu besitzen, ist der Ehrgeiz, eine Stadt zu sein.« Mit diesem Zitat seines ehemaligen Darmstädter Amtskollegen bekräftigte Oberbürgermeister Helmut Himmelsbach aus Anlass des 25jährigen Bestehens des Theaters am Berliner Platz den Anspruch der Stadt Heilbronn, ihre lange und gute Theatertradition zu pflegen. Eine Tradition, die vor allem immer wieder vom großen Engagement der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt geprägt ist, ein Theater zu haben und es zu beleben. Alle drei Theaterbauten, die in Heilbronn errichtet wurden, 1844, 1913 und 1982, sind dank der Hartnäckigkeit und des finanziellen Engagements der Menschen in dieser Stadt zustande gekommen.
Die Geschichte des Theaters in Heilbronn reicht allerdings bis weit ins späte Mittelalter zurück. Aus den kirchlichen Mysterienspielen, dem Komödien- und Tragödienspiel an der Lateinschule und dem Schauspiel in den verschiedenen Handwerkszünften entwickelte sich eine rege Laienschauspielszene. Gespielt wurde auf dem Marktplatz, vor dem Barfüßerkloster oder vor St. Kilian zur Erbauung, Unterhaltung und Belehrung des Publikums. Ab 1600 kamen regelmäßig Wanderschauspieltruppen in die Stadt, die im Komödiantensaal des Rathauses oder in extra vor der Stadt aufgebauten Komödienhäusern ihre Kunst zeigten. Bereits 1603 soll eine englische Schauspielgruppe Shakespeare gezeigt haben.
Der wirtschaftliche Aufschwung Mitte des19. Jahrhunderts machte es möglich: 1844 wurde in Heilbronn das erste feste Theater, das Aktientheater an der Allee gebaut. Hier gab es ein festes Ensemble, ab 1877 auch eine Intendanz. Gezeigt wurden Schauspiele, Opern und Operetten und das Publikum strömte in Scharen. Rund 40000 Zuschauer sahen die Vorstellungen in der nur vier bis fünf Monate dauernden Spielzeiten bei einem Platzangebot von 732 Sitz- und Stehplätzen. In der Saison 1908/1909 kamen sogar 51000 Besucher in 142 Vorstellungen. Die Investitionen der Stadt in ein eigenes Theater hatten sich mehr als gelohnt. Zunehmend machte auch die Qualität der Inszenierungen und des Ensembles von sich Reden. Für viele Schauspielerinnen und Schauspieler, Sängerinnen und Sängerinnen wurde das Heilbronner Engagement Sprungbrett an ein großes Hoftheater. Heilbronn hatte sich einen Ruf als Theaterstadt erobert.
Das große Interesse der Bürger am Theater und die hohe, überregionale Akzeptanz der künstlerischen Leistungen veranlassten die Bürgerschaft Anfang des 20. Jahrhunderts einen Theaterneubau zu errichten, der am 30. September 1913 eröffnet wurde. 850 Plätze fasste dieser vornehme, im Jugendstil gehaltene Jugendstilbau am Ende der Allee. Die Heilbronner Bevölkerung brachte damals die gesamte Bausumme von 650000 Reichsmark selbst auf! Hier wurden nach dem 1. Weltkrieg vor allem Stücke junger Autoren mit sozialkritischem und politischen Inhalt gespielt. Unter Intendant Richard Krauß (1919-1936) wurde die Bindung zwischen Publikum und Theater so eng, dass es sogar gelang, noch eine Weile nach Machtergreifung der Nationalsozialisten deren Gleichschaltungsbestrebungen im Kulturbetrieb zu unterwandern. Doch 1936 mussten auch die Heilbronner Theaterkünstler auf einer Demonstration die Worte des Propagandaministers Goebbels übers Megaphon in die Menge schleudern.
Im Bombardement des Dezember 1944 wurde das Theater in der Allee so schwer beschädigt, dass es nie wieder bespielt werden konnte. 1970 wurde die Ruine gesprengt. Bis 1983 dauerte es, dass Heilbronn wieder ein eigenes Theaterhaus besaßen.
Theater gespielt wurde in dieser Interimszeit aber trotzdem und zwar mit großem Erfolg. Bereits am 1. November 1945 wurde zur ersten Vorstellung in das »Heilbronner Künstlertheater« in den Trappensee-Saal eingeladen. Brennholz war der Eintrittspreis. Im Februar 1946 zog das Ensemble in den Saalbau zur Sonne nach Sontheim um. Von 1947-1949 wurde es das »Neue Theater Heilbronn«. Dann gab es eine zweijährige Theaterpause, bis sich eine Gruppe theaterinteressierter Zuschauer 1951 eine Spielstätte im Gewerkschaftshaus erkämpfte und hier das »Kleine Theater« gründete.
1953/54 kam eine der prägenden Theaterpersönlichkeiten ans Haus: Walther Bison, zunächst als Oberspielleiter, von 1956/57-1980 dann als Intendant. Er prägte als Regisseur von 160 Stücken und Schauspieler in 80 Rollen das Heilbronner Ensemble. Auf dem Spielplan standen Schauspiele, Opern und zunehmend auch Musicals. Zwischen 1970-1977 bespielte das Theaterensemble neben dem Saal im Gewerkschaftshaus noch eine kleine Studiobühne in der Harmonie. Zwischen 30000-40000 Besucher kamen jedes Jahr, zwischen 1974 –1980 verdoppelte sich die Zahl, dank der Einrichtung eines Buszubringerdienstes für die Landbevölkerung. Mit 67 Jahren schied Bison aus dem Theaterdienst aus.
1980/81 wählte der Gemeinderat mit Klaus Wagner den nächsten Theatermann, der in Heilbronn zur Legende wurde, zum Intendanten. Zu Beginn seiner 1. Spielzeit wurde in der »Alten Kelter« eine zweite Spielstätte eröffnet. Zum Markenzeichen des Heilbronner Ensembles wurden neben Schauspielen vor allem die Musicals. Dieser neue Theaterraum in der Alten Kelter mit ganz vielfältigen Angeboten wurde zum Besuchermagnet. Über 100000 Zuschauer kamen 1980 – eine gute Grundlage, um im Gemeinderat endgültig den Beschluss über einen Theaterneubau fassen zu können. Zwei Jahrzehnte lang prägte dieses Thema die Heilbronner Kommunalpolitik. Einen wichtigen Rückhalt bot auch das Engagement des Theaterfördervereins, der selbst 1,3 Millionen Mark für den Theaterneubau aufbrachte und noch weitere Großspenden akquirierte. Am 16. November 1982 wurde der Neubau am Berliner Platz eröffnet. Schon in den Monaten zuvor war das Publikumsinteresse überwältigend. Über 5000 Abos waren gezeichnet noch ehe das neue Theater überhaupt stand. Der Theaterneubau war mit allen technischen Raffinessen ausgestattet, von denen man damals nur träumen konnte und das Haus gehört noch heute zu den best ausgestatteten Theatern in Deutschland.
Inhaltlich setzte Wagner Schwerpunkte in der Vergangenheitsbewältigung und der Aufarbeitung der jüngeren deutschen Geschichte. Er zeigte eine Reihe von israelischen Stücken. Zu seinen Bemühungen um Aussöhnung gehört auch seine Inszenierung von Lessings »Nathan der Weise«, in der er auch selbst die Hauptrolle spielte. Damit gastierte das Ensemble auch in Israel, Palästina, China und Russland. Schauspiele und Musicals produzierte das Heilbronner Theater selbst. Hochkarätige Musiktheater- und Tanzproduktionen wurden als Gastspiele eingekauft. Dieses Konzept hat bis heute Bestand. Bis 2003, insgesamt 23 Jahre, blieb Klaus Wagner Intendant.
Sein Nachfolger wurde der Literaturwissenschaftler Dr. Martin Roeder-Zerndt. Nach den langen Jahren der künstlerischen Kontinuität trat er ein schweres Erbe an. Er setzte Schwerpunkte im Bereich der modernen amerikanischen Dramatik. Außerdem holte er viele internationale hochkarätige Tanzcompagnien nach Heilbronn. Damit gelang es unter seiner Intendanz vor allem viele junge Leute für das Theater zu interessieren.
Seit September 2008 ist Axel Vornam Intendant des Heilbronner Theaters.