Zum Geleit
Liebe Freundinnen und Freunde der Manufaktur,äkelärrägend. Ausgesprochen mit gewaltiger Selbstgerechtigkeit, tiefer Empörung und, ja, jeder Menge Ekel. Bzw. Äkel. Äkelärrägend. Mit langen, aber aggressiven „äs“. Das ist ohne Zweifel das Schorndorfer Wort der Monate Mai und Juni. Für Leute mit sexuellen Vorlieben jenseits der heterosexuellen Norm gibt es bekanntlich eine ganze Menge von Wörtern, die vor Jahrzehnten mal beleidigend gemeint waren (und das unter allerlei Hängengebliebenen noch immer sind), aber inzwischen als fröhliche Selbstbezeichnung funktionieren, „queer“ und „schwul“ zum Beispiel. Wir warten ab, ob dasselbe mit dem Wort „äkelärrägend“ geschieht – wünschenswert wär’s, wie wir finden. Dass manche Leute schwulen Sex „äkelärrägend“ finden, auch in Schorndorf, und dass diese Leute ihre persönlichen Phobien und Neurosen dann auch noch am Liebsten in allgemeingültigen Verhaltensvorschriften, Lährplänen und Gesetzen veräwigt sehen würden, bzw. dass diese Leute an den Überbleibseln einer homophoben alten Ordnung festhalten, als gäb’s kein Morgen, das haben wir ja in einer NDR-Panorama-Recherche über christlich-fundamentalistische „Schwulenheiler“ und Fundi-DemonstrantInnen in Stuttgart gesehen, bzw. in der Zweitverwertung von Interview-Aufnahmen vom Stuttgarter Schlossplatz in der heute show, wo uns dieses Wort in einer Aussage einer Demonstrantin so penetrant begegnete. Äkelärrägend, was die Schwulen da machen. Wir haben’s ja eigentlich nicht so mit dem öffentlichen Anprangern von Menschen, die Unsinn reden, weil man ihnen mal ein Mikrofon ins Gesicht hält. Aber menschenfeindlicher Protest und menschenfeindliche Aussagen sind ein öffentlicher Akt und deshalb auch öffentlich kritikwürdig. (Und ja, wir finden schon, dass wir uns über anderer Leute Schwäbisch amüsieren dürfen, schließlich reden wir auch nicht anders – nur reden wir halt nicht so viel homophoben Quatsch). Wie dem auch sei: Vielleicht lässt sich das künftig auch ganz selbstbewusst ans Revers heften: Äkelärrägende und SupporterInnen der Äkelärrägenden. Vielleicht gibt’s irgendwann mal, wenn das Wort aus den Fängen der Angeäkelten befreit und rundum umgedeutet ist, eine neue Abkürzung: LBGTQÄ.Und nein, wir schließen hier keine großen Ausführungen zum Thema Offenheit und Toleranz und Akzeptanz an, so nötig es auch wäre – es reicht dann irgendwann auch mal, und wir sind hier nicht die Oberlehrer. Die rabiaten VärfächterInnen ihrer Version von Normalität sind dann doch zu verbohrt, als dass sie sich auf diesem Wege erreichen ließen.Zum Erfreulichen: Bei uns im Garten steht allerlei großartiges Sommerprogramm an, den ganzen Juli und August hindurch. Und auf der Bühne innen ist auch das eine oder andere los. Die Hidden Cameras zum Beispiel kommen mal wieder nach Schorndorf und spielen am 25. Juli ihr einziges Deutschlandkonzert bei uns. Das wird sicher ein tolles Spektakel. Und wenn das jemand äkelärrägend findet, können wir auch nicht helfen.DeineManufaktur