Gorbatschow liest MORITZ
Am 19. September ist Michail Gorbatschow beim Festakt im Hotel Radisson Royal in Moskau der Löwenpreis der deutschen Hilfsorganisation Human Projects aus Leonberg bei Stuttgart verliehen worden.
Die Human-Projects-Jury, zusammengesetzt aus Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Schichten, hatte ihre Entscheidung, den Ehrenpreis an M. Gorbatschow zu verleihen, mit dessen herausragenden Verdiensten um Frieden und Versöhnung begründet. Carsten Enz, Leiter der Human Projects, betonte in seiner Ansprache, Michail Gorbatschow gehöre zu den bedeutendsten Politikern unserer Zeit. Es sei seinem Mut zu verdanken, dass die größte Bedrohung der damaligen Zeit – das atomare Wettrüsten und ein möglicher Atomkrieg in Europa – überwunden werden konnte. Angesichts der zurzeit stets wachsenden Zahl neuer Kriege rufe Gorbatschow in seinem Appell an die Welt, der unter dem Titel „Kommt endlich zur Vernunft! Nie wieder Krieg!“ vor kurzem als Buch erschienen ist, dazu auf, eine Umkehr zu Frieden und Versöhnung zu vollziehen, so Enz.
Seine höchste Wertschätzung gelte Gorbatschows auf die Beendigung des Kalten Krieges ausgerichteter Politik in den Perestroika-Jahren sowie dessen Tätigkeit an der Spitze der Internationalen Stiftung für sozioökonomische und politische Studien (Gorbatschow-Stiftung), die Gorbatschow nach dem Rücktritt vom Präsidentenamt aufgenommen hat, sagte Dr. Rüdiger von Fritsch, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Russischen Föderation. Er hob Gorbatschows besondere Verdienste um die deutsche Wiedervereinigung hervor.
Die Laudatio hielt Franz Alt, ein bekannter deutscher Publizist und Aktivist, Gorbatschows Co-Autor beim „Appell an die Welt“ (Er verfasste das Vorwort und stellte beim Interview die Fragen an Gorbatschow)
Alt hob hervor, dass die von Gorbatschow in der Perestroika-Ära vorgebrachten Ideen – Abkehr von der militarisierten Herangehensweise an die internationalen Beziehungen, Einstellen des Wettrüstens und Abschaffung der Massenvernichtungswaffen, Verzicht auf Gewaltanwendung in internationalen Beziehungen und andere – auch heute nichts an ihrer Bedeutung eingebüßt haben.
Michail Gorbatschow sagte in seiner Dankesrede, die in der Entscheidung der Preisverleihungsjury erwähnten Begriffe Frieden und Versöhnung seien für ihn immer von größter Bedeutung gewesen. Er wies auf die Notwendigkeit hin, die Bemühungen im Kampf für den Frieden zu vereinen und zu bündeln. Nur durch gemeinsame Anstrengungen könne dieser vom Erfolg gekrönt werden. Er erinnerte an die weisen Worte des US-Präsidenten John F. Kennedy, die diejenigen mahnen, die auf die Friedenssicherung nur für das eigene Land, nur „für sich“ bedacht sind: Entweder werde es Frieden für alle geben, oder gar keinen, sagte J.F. Kennedy.
In Bezug auf die Gegenwart betonte Gorbatschow die außerordentliche Bedeutung, die in der heutigen globalisierten Welt Gipfeltreffen der führenden Nationen zukommt. In diesem Zusammenhang machte er eine Aussage, die eine besondere Beachtung der anwesenden deutschen und russischen Journalisten gefunden hat: „ Seit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten ist ein Dreivierteljahr vergangen“, sagte Gorbatschow, „doch bislang gab es kein einziges Vollformat-Treffen auf höchster Ebene. Das ist nicht normal. Ich möchte die Führungen unserer beiden Staaten dazu aufrufen, Vorbereitungen eines solchen Treffens unverzüglich aufzunehmen. Es kann ein sehr wichtiger erster Schritt zur Verbesserung der gesamten Weltlage werden“.
Die Vertreter der Human Projects überreichten Michail Gorbatschow den Ehrenpreis: eine kleine Skulptur auf einem Sockel, die die Silhouetten zweier Herzen darstellt. Der Geldbetrag, mit dem der Preis dotiert ist, wird auf Gorbatschows Wunsch der Blutkrebskinderklinik in Sankt Petersburg zugutekommen, die den Namen von Raissa Gorbatschowa trägt und seit mehr als zehn Jahren leukämiekranken Kindern das Leben rettet.
In den Pausen zwischen den Ansprachen führte die 15-jährige Mascha Stohrer, Siegerin des bundesdeutschen Wettbewerbs Jugend musiziert, ihre Gesangskunst vor. Den Anwesenden wurde auch ein kurzes Video mit dem Auftritt von Konstantin Wecker, dem ersten Löwenpreisträger, präsentiert.
Die Gorbatschow-Stiftung war beim Festakt durch ihre Geschäftsführerin Dr. O.Zdravomyslova sowie P. Palazhchenko und K. Karagesjan vertreten.