Die MHP RIESEN gelten als das unangenehmste Team in der Basketball-Bundesliga. Hauptverantwortlich dafür ist Headcoach Josh King. Im MORITZ Interview erklärt er, wie er den Weg nach Ludwigsburg gefunden hat, warum in Europa der beste Team-Basketball der Welt gespielt wird und welche Pläne er für die Feiertage hat.
Wie hast Du zum Basketball gefunden?
Ich wurde in Indiana geboren. Das ist einer der Basketball-Staaten von Amerika. Als kleines Kind bin ich dann nach North Carolina, den Hoop-State, umgezogen. Ich habe also schon mein ganzes Leben mit Basketball zu tun gehabt und natürlich auch selber gespielt. Während meiner Zeit an der Highschool und im College stand ich selbst auf dem Court, habe dann aber gemerkt, dass es für mich als Spieler leider nicht zum Profi reicht. Aber ich wollte trotzdem Teil des Spiels bleiben und habe mich deshalb für eine Karriere im Trainerbereich entschieden. Ich wusste schon früh, dass ich ein Coach werden will, wenn ich kein NBA-Spieler werde.
Wie ging es mit der Trainerkarriere los?
Begonnen habe ich meine Trainerkarriere in der Saison 2008/09 als Assistenztrainer am Vassar College, einem College, das in der dritten, also der untersten, NCAA-Division angetreten ist. Nur ein Jahr später konnte ich dann schon in der zweiten NCAA-Division coachen, bevor ich für vier Jahre an der Marshall University in der ersten NCAA-Division als Trainer gearbeitet habe. Ich habe mich also durch alle Stufen des amerikanischen College-Basketball-Systems nach oben gearbeitet. Nach einer zweijährigen Auszeit bin ich dann wieder ins Coaching eingestiegen und habe an der Universität von New Hampshire zum Beispiel mit Jaleen Smith, der ja auch später nach Ludwigsburg gekommen ist, zusammengearbeitet. Im Jahr 2018 hat mich mein guter Freund und Zimmergenosse im College, Joey Cantens, der damals im Coaching Staff von John Patrick war, das erste Mal auf die MHP RIESEN aufmerksam gemacht.
Wie kam es dann zum Schritt nach Ludwigsburg?
Ich bin zu den Playoff-Spielen gegen Bayreuth gekommen und habe John Patrick damals kennengelernt. Das, was ich in der MHPArena gesehen habe, hat mich auf Anhieb fasziniert. Die Art und Weise, wie hier Basketball gespielt wurde, war auf eine gute Art anders als der Basketball, den ich aus den Staaten kannte. Mir war klar, dass es hier eine gute Möglichkeit geben kann, mein Wissen über Basketball zu vertiefen. Nachdem Joey Cantens dann im Sommer aus Ludwigsburg gewechselt ist, hat John mich gefragt, ob ich nicht als Assistent zu ihm ins Team kommen möchte. Ich habe das Angebot dankbar angenommen. Am Anfang hatte ich allerdings nicht vor so lange zu bleiben, sondern plante, nach ein bis zwei Jahren wieder in die USA zurückzukehren. Aber in den drei Jahren, die ich hier als Assistent von John, den ich für einen der besten Coaches auf der Welt halte, verbringen konnte, habe ich einfach sehr viel gelernt und dafür bin ich auch überaus dankbar. Danach habe ich die Möglichkeit bekommen, das erste Mal in meiner Karriere als Headcoach zu arbeiten. In meiner Zeit in Prag habe ich dann viele neue Eindrücke gesammelt. Aber als mir nach dem Abschied von John Patrick angeboten wurde, das Traineramt in Ludwigsburg zu übernehmen, habe ich keine Sekunde gezögert. Mir war klar, das ist die Chance meines Lebens.
Was ist der Hauptunterschied zwischen der Rolle als Assistent- und Headcoach?
Ich darf jetzt endlich das letzte Wort in allem haben. Dennoch: Ich glaube, ein Headcoach ist nur so gut, wie die Leute, die er als sein Team um sich versammeln kann. Das gilt sowohl für das Trainerteam als auch für die Spieler und die Menschen, die im Hintergrund viel für den Klub leisten. Ich habe deshalb versucht, Leute zu finden, die uns dabei helfen, erfolgreich zu sein. Das sehe ich als meine wichtigste Aufgabe an. Ich bin natürlich auch der, der auf die Fragen, die sich im Verlauf einer Saison ergeben, die richtigen Antworten finden muss.
Was hat Dich am meisten an der europäischen Art des Basketballs fasziniert?
Ich wusste praktisch nichts über den europäischen Basketball, als ich das erste Mal nach Ludwigsburg kam. Ich habe nur über Instagram die Ergebnisse der MHP RIESEN verfolgt und gesehen, dass sie eine Menge Spiele gewinnen. Mein Freund Joey [Cantens] hatte mir berichtet, dass der Basketball hier auf einem sehr hohen Niveau gespielt wird. Davon wollte ich mich dann selbst überzeugen. Was mir direkt ins Auge gesprungen ist, ist die Intensität und Physis, mit der das Spiel hier gespielt wird. Ich fand es sehr beeindruckend zu sehen, mit welcher Härte die Spieler den Wettkampf annehmen. Ich denke mittlerweile ist auch in den USA angekommen, dass der beste Team-Basketball in Europa gespielt wird.
Was unterscheidet denn den amerikanischen vom europäischen Basketball?
Das amerikanische Spiel ist ein Isolationssport. Ein Spiel, das oft durch Eins-gegen-Eins Duelle entschieden wird. Das Spiel ist wesentlich mehr auf die Offensive zugeschnitten. In Europa steht das Team wesentlich stärker im Fokus. Es ist ein Teamspiel und das ist der Grund, warum ich mich in den Basketball verliebt habe. Das macht auch den Reiz von Basketball als Sport für mich und viele andere aus. Es sind fünf Spieler auf dem Platz, die auf beiden Seiten des Balles, also in der Offensive und der Defensive, immer alles geben müssen.
Für Dich scheint die Defensive immer ein ganz entscheidender Faktor für den Erfolg zu sein. Warum ist sie so wichtig?
Ich glaube, jedes Team, von dem ich selbst ein Teil war, hat immer gerne von der Defensive gesprochen, ohne sie aber im Spiel dann auch wirklich zu betonen. Das habe ich das erste Mal hier in Ludwigsburg erlebt. John Patricks Spezialität ist es seinen Spielern, das Verteidigen beizubringen. Ich glaube, das ist auch ganz wichtig, um auf dem Platz wirklich den Unterschied machen zu können. Wenn man sich alle Ligen auf der Welt anschaut und es ganz einfach runterbricht, dann sind die besten Teams immer die Teams mit der besten Verteidigung. Ein ganz entscheidender Faktor dabei ist, dass die Defensive etwas ist, was man selbst in der Hand hat. Man kann nicht kontrollieren, ob die Körbe vorne so fallen wie man möchte oder ob die Schiedsrichterentscheidungen dem eigenen Spiel gut tun, aber als Team kann man kontrollieren wie hart und fokussiert man sich defensiv auf dem Platz präsentiert. Es ist einfach ein sehr gefährliches Spiel, wenn man versucht, seine Gegner immer zu outscoren. Es gibt Teams mit viel Talent in der Offensive, die das können, aber von denen gibt es nur sehr wenige auf der ganzen Welt.
Was sind die wichtigsten Eigenschaften bei der Auswahl der Spieler für die Saison?
Da wir hier in Ludwigsburg ein besonderes Augenmerk auf die Defensive richten, sind wir bei der Spielersuche immer sehr darauf bedacht, Spieler zu finden, die die passende Physis und Intensität für unseren Spielstil mitbringen. Das ist natürlich nicht einfach. Wir wollen Spieler, die verschiedene Positionen spielen können und natürlich auch einen passenden Charakter für uns als MHP RIESEN haben. Da gibt es dann schnell viele Spieler, die nicht mehr für uns in Frage kommen, aber wir wollen einfach sichergehen, dass die Spieler, die wir hier nach Ludwigsburg bringen, auch das leisten, was wir in der Saison von ihnen erwarten. Dafür schauen wir uns viele Spiele an und sprechen über die Kandidaten mit ihren Coaches und Teamkollegen. Ich denke, dass ist uns in diesem Jahr sehr gut gelungen ist, wir haben eine gute, nein eher richtige, Gruppe von Spielern gefunden, um noch viel zu erreichen. Auch wenn der Saisonstart natürlich ein wenig holprig war. In der vergangenen Saison sind wir sehr gut gestartet und hatten ein überragendes Saisonfinale in den Playoffs, auch wenn wir uns am Ende Bonn geschlagen geben mussten. Ich war auch sehr stolz darauf, dass wir als einziges Team der Bundesliga bis in die Playoffs kein Spiel mit mehr als 20 Punkten verloren hatten. Aber ich kann leider nicht sagen, dass das Team der vergangenen Saison von Spiel zu Spiel besser geworden ist. In dieser Saison bin ich mit der Entwicklung des Teams viel zufriedener. Ich glaube, dass wir momentan auf einem guten Weg sind, uns von Spiel zu Spiel zu verbessern. Auch wenn sich das vielleicht noch nicht direkt oder fortwährend immer in den Ergebnissen widerspiegelt. Wenn wir in der ganzen Saison so am Ball bleiben wie momentan, dann werden die richtigen Resultate sehr bald folgen. Ich bin sehr zufrieden damit, wie sich das Team in einer sehr kurzen Zeit entwickelt hat, aber bis zum Saisonfinale wird noch viel Basketball gespielt werden.
Vor allem im europäischen Basketball gehören Kaderumbrüche in jeder Saison zum Alltag. Wie gehst Du mit diesen Herausforderungen um?
Das ist glaube ich selbst für größere Klubs, die ihren Spielern auch langfristigere Verträge geben können, eine große Aufgabe. Selbst bei ALBA Berlin spricht man, obwohl sie viele Spieler aus der vergangenen Saison halten konnten, in diesem Jahr von einem ganz neuen Projekt. Das ist natürlich gewissermaßen eine vergleichbare Situation, denn das gilt natürlich für uns als MHP RIESEN in jedem Jahr genauso. Für uns ist es immer wichtig, die richtigen Spieler zu finden, wie gerade gesagt, und aus diesen ein überzeugendes Team zu formen.
Was sind Deine Ziele für deine Zeit als Trainer der MHP RIESEN?
Ich glaube, John [Patrick] hat den Klub in einer unglaublich guten Lage an mich übergeben. Als ich Ludwigsburg übernommen habe, habe ich einen Klub geerbt, der einen sehr guten Namen, eine ausgezeichnete Infrastruktur und tolle Unterstützer hatte. Ich glaube, das Ziel jedes Trainers, auch wenn es nicht oft passiert, ist es, den Klub nach der Amtszeit besser übergeben zu können, als man ihn bekommen hat. Ich habe Ludwigsburg in einer sehr guten Situation übernommen und habe glaube ich auch in der vergangenen Saison gut an die Erfolge anknüpfen können. Das führt natürlich auch dazu, dass es einen gewissen Druck für mich gibt, dieses hohe Level auch beizubehalten. Mein Ziel ist es, wann auch immer meine Zeit als Trainer enden sollte, Ludwigsburg in einer noch besseren Lage übergeben zu können.
Zum Abschluss noch ein paar Fragen zu deinem Leben in Deutschland. Was gefällt Dir hier in Ludwigsburg besonders?
Es ist ein bisschen zu meiner zweiten Heimat geworden. Wenn ich so darüber nachdenke, ist es sogar gerade mein Zuhause. Ich fühle mich hier tatsächlich heimischer, als wenn ich in North Carolina zu Besuch bin. In meiner gesamten Karriere habe ich nirgendwo anders länger gelebt als hier in Ludwigsburg. Ich mag die Menschen, ich fühle mich hier sehr wohl und ich wünsche mir manchmal schon, dass mein Deutsch ein bisschen besser wäre, aber daran arbeite ich noch. Im Sommer wäre sicher eine gute Zeit für einen Deutsch Crash-Kurs. Während der Saison ist sowas immer sehr schwierig. Aber insgesamt ist Ludwigsburg wirklich ein netter und gemütlicher Ort zum Leben.
Wie verbringst Du deine Freizeit hier?
Hin und wieder gehe ich essen. Die Restaurants hier sind alle sehr lecker, da gibt es auch kulinarisch viel zu entdecken. Am besten gefällt mir das Essen im Viva. Aber am liebsten grille ich mir etwas zu Hause. Ich bin eigentlich immer am Grill, mache BBQ oder esse auch sehr gerne Raclette. Ich mag es einfach, mir selbst etwas zu kochen. Der türkische Supermarkt in der Nähe meines Hauses ist mein ganz eigenes Restaurant. Und nach dem Essen gibt es ja auch zu dieser Jahreszeit – sofern wir nicht selbst Training haben – einfach unglaublich viel Basketball zu sehen, den ich mir auch sehr gerne angucke. Unter der Woche gibt es die EuroLeague oder die Champions League und am Wochenende natürlich die Bundesliga, aber auch viele andere nationale Ligen, die ich immer gerne im Auge behalte. Nur die NBA ist mir ein wenig zu spät, da schaffe ich es nicht zuzuschauen.
Welche Pläne hast Du für die Feiertage?
Ich kann „Frohe Weihnachten“ auf Deutsch sagen. Da bin ich mit dem Sprachtraining also schon sehr weit. Ich mag Weihnachtsmärkte sehr gerne. Ich habe in der Vergangenheit die Märkte in Ludwigsburg, Stuttgart, Straßburg oder, als ich dort gelebt habe, auch den in Prag besucht. Besonders gerne esse ich dort dann eine Feuerwurst, die finde ich sehr lecker. Darauf freue ich mich schon, die Weihnachtszeit ist eine gute Zeit im Jahr. Im vergangenen Jahr war ich aber nur einmal wirklich auf dem Ludwigsburger Weihnachtsmarkt unterwegs. Wenn ich so darüber nachdenke, bin ich eigentlich jemand, der sehr gerne zu Hause ist. Ich mag es vor allem im Winter gemütlich und eher ruhiger. Für die Feiertage werde ich, nachdem wir unser Bestes getan haben die Christmas Games zu gewinnen, meine Assistenztrainer zu einem netten Essen bei mir einladen, eine gemütliche Zeit mit meiner Freundin verbringen und dann werden wir uns natürlich zu Silvester das Feuerwerk anschauen. Ich liebe das Feuerwerk zum Neuen Jahr hier, weil man einfach auf seiner Terrasse sitzen und die Aussicht genießen kann. Das ist gratis Unterhaltung. In die Innenstadt gehe ich allerdings nicht mehr, das habe ich im vergangenen Jahr gemacht, da ist es mir echt zu gefährlich. Ich war auf einer Party und bin eigentlich nicht besonders schreckhaft. Ich bin schon aus Flugzeugen gesprungen, aber die Art und Weise, wie manche während Silvester mit dem Feuerwerk umgehen, ist schon sehr bedenklich. Das ist echt verrückt, was in dieser Nacht abgeht. Daher habe ich mir geschworen, mich in diesem Jahr von der Innenstadt fernzuhalten. Das Spektakel aus der Sicherheit meines Hauses zu genießen, macht es nicht weniger schön und deutlich sicherer. Mir wurde gesagt, dass das schon ein bisschen der typisch deutsche Stil ist, um ins Neue Jahr zu rutschen: Zu Hause sein, sich um Freunde und Familie kümmern und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Vielleicht bin ich mittlerweile deutscher geworden, als ich dachte.
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