Mit einem Festabend und einer illustren Gästeschar hat das Heilbronner Volkshochschul-Team am 13. April das 100-jährige Jubiläum der 1919 gegründeten deutschen Volkshochschulen begangen.
Wie vor 100 Jahren stehen die Einrichtungen, die sich bis heute unvoreingenommen und bodenständig an alle Bürger wenden, für das Recht auf Bildung und für Chancengerechtigkeit.
Das Bildungsangebot der Heilbronner VHS ist breit gefächert und so umfangreich, dass es sich mit ein paar Sätzen gar nicht erfassen lässt. Um dennoch eine Übersicht zu bekommen, wurde ein Kurzfilm gedreht, der Einblick in die Kursvielfalt gibt und Lust macht, einen Kurs zu besuchen. Finanziert wurde er vom Förderverein der VHS Heilbronn, deren 1. Vorsitzender Adolf Oppermann ist, und der dem launigen Abend ebenso wie die VHS-Aufsichtsratsvorsitzende und Bürgermeisterin Agnes Christner beiwohnte. Auch bei einem ihrer Vorgänger im Amt, Rainer Casse, war die Wiedersehensfreude groß, ebenso bei Dorothea „Dodi“ Braun-Ribbat, deren Nachfolger VHS-Geschäftsführer Peter Hawighorst ist. Und ein immer gern gesehener Gast ist Helmut Himmelsbach, Heilbronner OB von 1999 bis 2014 und Ehrenbürger der Stadt.
So abwechslungsreich wie das Kurs-Programm ist, war auch der Abend. Vertreter aller Gemeinderatsfraktionen der Stadt kamen ins feierlich geschmückte VHS-Foyer, darunter Susanne Bay und Rainer Hinderer, Mitglieder des Landes, sowie MdB Michael Georg Link. Der Zeitpunkt für die VHS-Feier war somit klug gewählt, denn am 26. Mai sind Kommunalwahlen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel rührte denn auch gleich die Werbetrommel und wandte sich dabei ausdrücklich an die Damenwelt, die im 100. Jahr des Frauenwahlrechts in den politischen Gremien noch immer spärlich vertreten ist.
Prof. Dr. Nicole Graf, Rektorin der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn (DHBW), unterstrich den Appell des Stadtoberhaupts. Sie hielt den Festvortrag und zeigte die Megatrends der Zukunft auf mit dem klaren Standpunkt, dass die Welt von morgen als Herausforderung für lebensbegleitendes Lernen begriffen werden müsse. In der ihr so eigenen lebendigen Art amüsierte sie mit originellen Beispielen und stimmte mit erschreckenden Fakten nachdenklich. Etwa damit, dass das Thema Digitalisierung offenbar noch nicht in allen Köpfen angekommen ist. „Wir tun zu wenig“, so Nicole Graf. Es gebe Berechnungen, wonach im Jahr 2023 in Deutschland 700.000 digitalisierte Arbeitsplätze fehlen würden. Oder: „Die Globalisierung ist so alt wie die Menschheit, aber auf vielen Ebenen stehen wir erst am Anfang.“ Beispiel: Nur ein Prozent aller US-Unternehmen pflegen konstante Auslandskontakte. Gerade mal 2,8 Prozent der Deutschen arbeiten im Ausland.
Christian Leichtle (am 14. Mai 1892 in Neu-Ulm geboren, am 26. März 1949 – vor 70 Jahren – in Weinsberg gestorben), Lehrer, in Talheim wohnhaft und Gründer der Heilbronner Volkshochschule, ließ es sich nicht nehmen, dem Jubiläumsabend ebenfalls beizuwohnen: Nicht nur als Gemälde an der Wand, sondern in Gestalt des Schauspielers Anjo Czernich vom Ensemble des Theaters Heilbronn. Er warf pointiert Stichworte in den Raum, die auf die Geschichte der VHS Bezug nahmen und das Werk des Malers Hanns Reeger (1883-1965) kurz streiften, denn Reeger war eine wichtige Figur in der Heilbronner Kulturszene. Neben dem Leichtle-Porträt restaurierte er zum Beispiel die Bemalung der Heilbronner Rathausuhr und hinterließ den Städtischen Museen Heilbronn über 200 Werke. Anlässlich seines 50. Todestags wurde er im Jahr 2016 im Museum im Deutschhof erstmalig mit einer umfassenden Werkschau gewürdigt.
Musikalisch begeisterten Schülerinnen und Schüler der Städtischen Musikschule Heilbronn: Julian Fritsch und Manuela Waible (Violine), Leonie Mauch (Violoncello), Matti Schwarz (Marimba), Selin Messer (Gesang und Ukulele) und Lehrer Björn Vielhaber (Klavier). Sie wurden mit viel herzlichem Applaus bedacht. Für das reichhaltige Buffet zeichnete VHS-Kochdozentin Asia Rehm verantwortlich. Peter Hawighorst, Gastgeber des Abends, dankte seinem Kollegium für das unermüdliche Engagement. Und die schönste Neuigkeit, nicht nur für die Älteren unter den Gästen, die den Deutschhofkeller noch als beliebten Szenetreff in Erinnerung haben, mit dem legendären „Mitternachtsjazz“ und der stets belagerten Theke, an der es frisch geschmierte Schmalzbrote, Gewürzgurken aus dem Gurkentopf und frisch gezapftes Bier vom Fass gab, kam von Harry Mergel: Der Keller soll mit eigenen Mitteln in VHS-Regie denkmalgeschützt renoviert und wieder für Veranstaltungen genutzt werden. Mergel. „Ich glaub', ich hab' hier meinen ersten Blues getanzt.“ Es muss ja nicht der letzte gewesen sein.
Simone Heiland