Foto: Kai Stuth
Tim Bendzko
»Nur noch kurz die Welt retten« machte Tim Bendzko 2011 berühmt. MORITZ-Redakteur Thomas Moegen sprach mit dem Singer-Songwriter über die neue Tour, selbstgemachten Stress, Angstschweiß-Tropfen, Fußball, Romantic Deep House und das Menschsein.
Die »Immer noch Mensch«-Tour im Sommer war groß. Hattest Du Urlaub?
Ich war gar nicht im Urlaub und habe bei mir zu Hause den Keller entkernt: Wände rausgerissen, Tapeten abgemacht und Boden rausgestoßen. Es war schön, sich mit irdischen Dingen zu beschäftigen.
Tim Bendzko als Handwerker?
Das können sich viele jetzt nicht vorstellen, aber dafür kann ich nichts. Tatsächlich mache ich viele Dinge gerne selbst.
Ist »Keine Maschine« autobiographisch zu verstehen? Prasselt viel auf Dich ein?
Ich habe den Song über die Situation geschrieben, in der ich mich beim Schreiben befand. Ich musste sehr viel in kurzer Zeit schreiben. Mir fiel unter diesem Druck nichts ein. Aber es gab keinen Grund für diesen Stress. Regeln erlegt man sich selbst auf. Mit dem Loslassen entstand dieser Song über den Song im Song.
Was erwartet uns bei der »Mein Wohnzimmer ist dein Wohnzimmer«-Tour?
Bei diesem völlig anderen, interaktiven Konzert-Konzept werden wir in viel kleinerer Besetzung spielen. Wir interpretieren Songs neu und nehmen uns Zeit zwischen den Liedern. »Mein Zimmer ist Dein Wohnzimmer« nehmen wir wörtlich. Wir werden auf die Leute eingehen, spontan sein und lustige Aktionen bringen. Die Zuschauer werden ein paar Schweißtropfen vergießen (lacht) und Angst haben, angesprochen oder auf die Bühne geholt zu werden. Aber man kann sich auch zurücklehnen. Als ich jünger war, hatte ich bei Konzerten immer Todesängste, das mich die Künstler ansprechen. Ich bin froh, jetzt auf der anderen Seite zu sein (lacht).
»Menschsein ist Empathie und die Begabung zur Vernunft«
Jetzt von der Karriere zum Freizeitvergnügen. Union, Bayern oder Hoffenheim?
Wenn ich in München bin, gehe ich schon ins Stadion. Es steht überall, dass ich Hoffenheim-Fan bin, aber das stimmt nicht. Ich war ein Mal im Stadion, als der FCB zu Gast war und gewann. Damals spielte mein Kumpel Andi Beck, jetzt wieder VfB, dort. Aber Trainer Julian Nagelsmann und das Jugendprogramm dort sind überragend.
Was hörst Du privat und beim Ausgehen?
Ich gehe nicht aus. Vielleicht bin ich nicht der Typ dafür, zu alt oder es ist mir zu anstrengend. Ich höre Romantic Deep House mit viel Vocals, weniger die Disco-Sachen.
Deep House mit Frauenstimmen?
Nein, lustigerweise tiefe Männerstimmen.
Eher die Barry White Base-Stimme?
Ja, das kommt schon ganz nah ran.
Deine Ernährungsumstellung hat Dir sehr geholfen. Kannst Du kochen?
Das ist ja nicht schwierig. Ich bin zwar kein Sterne-Koch, aber ich kann Essen zubereiten, das halbwegs anständig schmeckt und nahrhaft ist. Zu den guten Dingen zählen Kochen und Hundespaziergänge mit Fridolin und Raja. Mir tut es gut, »gezwungen« zu sein, jeden Tag rauszugehen.
Du warst der »Junge, der allen auf den Keks ging« (Bendzko). Ist das noch so?
Früher habe ich jedem ständig erzählt, dass ich Sänger werde, das muss ich jetzt nicht mehr. Wenn ich nun eine Sache, die mir Freude macht, entdeckt habe, teile ich die Euphorie mit anderen. Es muss manchmal unerträglich sein, wenn ich im Schwall bin.
Wie rettest Du die Welt tagtäglich?
Gar nicht. Ich versuche, anständig zu sein. Menschsein ist Empathie und Vernunft-Begabung. Ich schaue nicht nur, wie es mir geht. Ich nehme ungern Hilfe an, aber ich nehme mir gerne Zeit, anderen zu helfen.
Warst Du wählen?
Ja, es ist ein Privileg, ein Kreuzchen machen zu dürfen. Wir sind oft so abgehoben, dass wir gar nicht merken, wie gut es uns in Deutschland geht. In anderen Ländern würden Menschen viel für Wahlrecht und Demokratie geben. tmo
Tim Bendzko – Mein Wohnzimmer ist dein Wohnzimmer Tour 2017
Mi. 8. November, 20 Uhr.