Luigi Maria Rapisarda führt zwei Leben: Zum einen arbeitet er in dem Heilbronner Familienrestaurant »Piccolo Mondo« – zum anderen komponiert er Soundtracks, vorrangig für Computerspiele. Warum sich beides für ihn aber keinesfalls ausschließt, was für ihn einen guten Soundtrack ausmacht und wie man Musik für Spiele schreibt, erklärt Rapisarda im Gespräch mit MORITZ-Redakteur David Gerhold.
Wo kommt deine Begeisterung für Musik her?
Die Begeisterung für Musik war eigentlich schon immer da. Wir sind eine sehr musikalische Familie, da wurde immer musiziert, der Grundstein war also schon da. Während der Schule hatte ich auch Musik als Haupt-Leistungsfach im Abitur. Im Lehramtsstudium hatte ich auch Musik als drittes Fach neben Erdkunde und Französisch, aber Musik war eigentlich immer so mein Hauptding. Im Studium in Augsburg hatte ich dann auch schnell gelernt, dass das Lehrerdasein mir nicht so richtig liegt.
Wie kam dann der Schritt, Musik zum Beruf zu machen?
Es kam irgendwie alles ganz automatisch. Im Augsburger Studium hatte ich in einem Forum jemanden kennengelernt, der Computerspiele entwickelt hat. Ich bin also eigentlich gleich eingestiegen. Am Anfang war das durchaus ein Kampf, es war aber ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Dann legt man sich natürlich auch die dementsprechende Technik zu und das Gefühl wuchs, dass es das ist, was ich immer schon machen wollte.
Wie kam dieser Übergang zur Computerspiel-Musik zustande?
Ich hatte halt diesen Entwickler kennengelernt und im Gespräch habe ich schnell festgestellt: Das liegt mir. Gerade für Adventuregames wollte ich immer schonmal Musik machen. Da habe ich dann direkt losgelegt. Später habe ich dann auch für den einen oder anderen Kurzfilm und vor zwei Jahren sogar für einen Langspielfilm die Musik vertont. Speziell mache ich nicht nur für Computerspiele Musik, sondern eigentlich für Medien generell – was halt jeweils gebraucht wird. Trotzdem sind Computerspiele mittlerweile ein wenig mein Steckenpferd.
Wie gehst du vor, wenn du einen Soundtrack komponierst?
Ich bekomme in der Regel die ersten Bilder vom Spiel, je nach Entwicklungszustand manchmal sogar schon fertige Demos, die ich selbst schon ausprobieren kann. Daraus entwickle ich dann ein Thema und schicke es dem Entwickler, der dann entweder sagt es passt oder es passt nicht. Das lotet man dann gemeinsam aus. Sobald das Thema dann steht, differenziert man weiter aus und passt die Musik an verschiedene Levels an. Bei Cult Canyons zum Beispiel – ein Western Game – da gibt es ein Level, in dem die Bösewichte Minenarbeiter sind, da versucht man dann mit der entsprechenden Instrumentierung eine passende Stimmung zu schaffen. Man sollte in der Musik das Western Feeling bekommen und gleichzeitig nach Möglichkeit direkt im Ohr haben, dass man sich nun in einer Mine befindet. Der Entwickler hat natürlich auch seine Vorstellungen oder sagt ganz klar, was mit der Musik ausgedrückt werden soll.
Gibt es Unterschiede zum Filmsoundtrack oder besondere Herausforderungen, die Computerspielmusik mit sich bringt?
Bei einem Computerspiel ist es halt wichtig, dass sich die Musik auch immer und immer wiederholen kann, je nachdem wie lange so ein Level dauert. Gleichzeitig darf es nicht langweilig werden oder noch schlimmer irgendwann nervtötend werden. Die Musik muss also im Hintergrund sein, erkennbar sein und eine Stimmung erzeugen, darf sich aber nicht zu stark aufdrängen.
Welche Instrumente verwendest du dabei?
Alles mögliche. Das ist ganz unterschiedlich, manchmal spiele ich auch etwas mit der Klarinette ein, das war in meinem Trossingen-Studium damals mein Hauptinstrument. Bei Cold Canyon habe ich ein altes Akkordion verwendet – das war ein Erbstück von der Urgroßtante. Bei einem Computerspiel, das in diesem Jahr herauskommen wird, habe ich viel mit der akustischen Gitarre aufgenommen. Oft merkt man auch, dass der Entwickler wert darauf legt, dass die Musik einen authentischen Sound hat, da gehe ich dann natürlich auch drauf ein. Hauptsächlich arbeite ich aber viel mit Computerprogrammen und Synthesizern.
Gab es etwas aus deinem Studium, das du für deine Karriere als Soundtrack-Komponist mitgenommen hast?
So ein Studium eröffnet einem einfach generell einen neuen Horizont. Ich merke das vor allem in der Arbeitsweise, aber auch an vielen Kleinigkeiten. Die Herangehensweise an ein Thema ist dann eine ganz andere und deutlich offener. Ich habe zum Beispiel dieses Jahr einen Film, der spielt in Afrika, da muss man sich erstmal mit der ganzen Thematik auseinander setzen, um dann auch die Emotionen vernünftig wiederzugeben, das ist alles etwas komplizierter. Geschadet hat es mir also definitiv nicht.
Gab es ein Lieblingsprojekt, an dem du gearbeitet hast?
Auf seine Weise ist jedes Projekt für mich besonders. Wo ich besonders positive Erfahrungen gesammelt habe, war bei dem Film »Prinz Blechleber«, der ist von einer Comedy-Truppe aus dem Bereich Augsburg, mit denen ich zusammen vor zwei, drei Jahren den Soundtrack entwickelt hatte. Das war meine erste Filmerfahrung und eine ganz neue Welt, die sich dann da aufgetan hat.
Du hast auch für das recht bekannte Spiel »Bridge Constructor« den Soundtrack entwickelt. Kannst du darauf kurz eingehen?
Ich hatte ja damals für das Adventure-Spiel »Second Guest« die Musik geschrieben. Der selbe Vertreiber hatte dann notfallmäßig noch Musik für ein weiteres Spiel benötigt und sind dann, basierend auf meiner vorherigen Arbeit, auf mich zugekommen. Der Soundtrack zu »Bridge Constructor« sollte dann eine gewisse Aufbruchstimmung auslösen, gleichzeitig aber auch entspannend sein, da es sich um ein Aufbauspiel handelt, da habe ich dann die Musik geschrieben. Ein paar Stücke hatten es schlussendlich nicht in das fertige Spiel geschafft, die findet man aber auf meiner Homepage.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Entwicklern?
Da gibt es immer zwei Möglichkeiten: Man schreibt was und entweder es funktioniert sofort, das ist dann ein seltenes Ass, das man gezogen hat. Oder man hat halt Arbeitspartner, die eine genaue Vorstellung von dem, was sie erreichen wollen, haben und das muss man dann gemeinsam ausloten. Manchmal merke ich, dass sich ein Projekt etwas schwieriger gestaltet, dann entwerfe ich erstmal Layouts, um die grobe Richtung abzustecken. Gerade bei Computerspielen ist der Anfang des Projekts aber in der Regel sowieso mit einem gewissen Pitching verbunden, bei dem man den Entwickler versucht, von der eigenen Musik und den eigenen Fähigkeiten zu überzeugen. Wenn man das geschafft hat, gestaltet sich die weitere Zusammenarbeit in der Regel relativ unkompliziert. Aber ja, manchmal klappt es gut, manchmal ist es schwieriger, das gehört zum Beruf dazu. Man braucht eine dicke Haut.
Wie kommst du an Projekte? Kommen Entwickler auf dich zu oder umgekehrt?
Es ist eine Mischung aus beidem. Ich versuche natürlich immer mal wieder, mich selbst irgendwo einzubringen. Bei meinen letzten drei Projekten war es aber immer so, dass die Entwickler auf mich zugekommen sind. Dazwischen gibt es aber auch immer mal wieder Phasen, in denen es etwas mau aussieht, muss ich ganz ehrlich sagen.
Gab es auch Projekte, an denen du dir anfangs die Zähne ausgebissen hast?
Ja, das war gerade bei meinem aktuellen Projekt, das noch in diesem Jahr herauskommen soll, der Fall. Da war der Anfang etwas holprig, weil ich einfach nicht den richtigen Klang finde konnte. Irgendwann kommt dann ungeplant der Geistesblitz. Oft muss man auch einfach mal alles vom Rechner runterschmeißen und frisch anfangen. Manchmal schnappe ich mir auch einfach mal die Akustikgitarre und experimentiere etwas herum – und zack, auf einmal funktioniert’s.
Was sind Einflüsse bzw. Vorbilder, an denen du dich orientierst?
Die Begeisterung für den Beruf haben mir definitiv die großen Soundtrack-Klassiker von Komponisten wie John Williams oder Hans Zimmer geweckt. Das sind ja Filmmusiken, die bleiben dir schon als Kind im Ohr. Später habe ich dann Werke von Danny Elfman oder Alexandre Desplat für mich entdeckt. Ich denke, man muss als Musiker immer auch seinen Horizont erweitern und sich neuen Einflüssen öffnen, um sich selbst weiterentwickeln zu können. Entwickler oder Regisseure schicken mir gerne auch Musikstücke zur Inspiration oder Orientierung zu, da finde ich also auch immer etwas neues.
Was macht für dich einen guten Soundtrack aus?
Puh, gute Frage (lacht). Ein Soundtrack ist dann für mich gelungen, wenn er die Bilder im Kopf hervorrufen kann, die man beim Filmschauen oder beim Spielen vor sich hatte. Er transportiert Emotionen und man kann ihn sich auch ohne den Film oder das Videospiel immer wieder anhören. Besonders toll ist natürlich auch, wenn die Melodie im Ohr bleibt. Ich hoffe, das habe ich mit dem einen oder anderen meiner Soundtracks geschafft.
Welche Soundtracks haben dich in letzter Zeit besonders beeindruckt?
Der Witz ist, so viel Computerspiele spiele ich tatsächlich nicht (lacht). In dieser Richtung haben mich aber immer vor allem Adventure Games begeistert. Wenn die Geschichte einem gefällt, dann spielt man das auch gerne. In Sachen Musik haben mir die Uncharted-Spiele besonders gut gefallen. Das Eintauchen in diese verschiedenen Welten, als Schatzsucher um die ganze Welt reisen und dazu dann dieser Soundtrack – da kann man sich richtig drin verlieren.
Parallel arbeitest du nach wie vor im Familienrestaurant »Piccolo Mondo«. Ist das für dich manchmal eine Art Doppelleben?
Nein, das war einfach schon immer so. Ich arbeite gerne mit meiner Familie zusammen, seit fünf Jahren bin ich hauptberuflich bei meinen Eltern tätig und wenn die mit dem Betrieb irgendwann aufhören, dann ist auch der Plan, das zu übernehmen. Lustigerweise gibt es manchmal witzige Überschneidungen zwischen meinen beiden Berufen: Ich habe für das Spiel »Pizza Connection 3« die Klarinette eingespielt (lacht).
Wo willst du mit deiner Kunst in Zukunft noch hin?
Ich mache ja nebenbei auch noch Produktionsmusik für Firmen. Ein großer Lebenstraum ist es in der Hinsicht, dass ich irgendwann mal Musik für Filmtrailer komponieren kann. Das ist dann nochmal eine ganz eigene Welt, die mich aber wirklich fasziniert und in der ich mich aktuell viel ausprobiere. Einen Trailer für einen großen Kinofilm mit meiner Musik – das wäre schon toll.