Seit Mitte März geht unsere Gastronomie und Hotellerie durch die schwersten Zeiten seit dem 2. Weltkrieg. Existenzen sind bedroht, Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, freigestellt, anderweitig tätig oder arbeitslos. Manche Betriebe haben komplett geschlossen, andere versuchen sich mit neuen Konzepten soweit es geht über Wasser zu halten. MORITZ-Redakteur Riccardo Terrasi sprach mit Gastronomen der Region.
Aytac Akgül, Lehners Wirtshaus, Heilbronn
»Wir haben aktuell komplett geschlossen und alle Mitarbeiter auf 100 Prozent Kurzarbeit gesetzt. Wir haben versucht, alle Kosten auf Null herunterzufahren, manche Fixkosten, darunter mit den Mietkosten leider ein sehr großer Posten, bleiben allerdings bestehen. Für uns macht eine teilweise Öffnung mit Delivery und Pickup als deutsches Gastro
nomiekonzept keinen Sinn, dafür ist die Nachfrage unserer Gäste viel zu gering. Selbstverständlich haben wir umgehend Kurzarbeitergeld, Stundungen, Soforthilfe und auch KfW-Darlehen beantragt. Aber das reicht trotzdem hinten und vorne nicht. Zusammen mit den Azubis, die nicht in Kurzarbeit gehen nutzen wir die Zeit für kleine Renovierungsarbeiten im Restaurant. Das hebt wenigstens etwas die Stimmung und hebt das Teamgefühl.«
Tanja Calce, Restaurant Velo, Heilbronn
»Seit dem 1. April haben wir unser Restaurant mit einem Liefer- und Abholservice geöffnet. In den ersten zwei Wochen habe ich nur zusammen mit meinem Freund und meiner Tochter den Laden geschmissen, die Mitarbeiter mussten wir leider in Kurzarbeit schicken. Als die Nachfrage aber immer größer wurde, konnte ich einige Angestellte wieder mitarbeiten lassen. Für sie ist die Situation natürlich schwierig. Es ist ihnen schwergefallen, zu Hause zu sitzen und nichts tun zu können. Für mich war es sehr wichtig, sie da rauszuholen. V
or der Corona-Krise war bei uns immer so viel los, dass die Mitarbeiter manchmal gestöhnt haben. Aber jetzt waren alle total glücklich, endlich wieder zur Arbeit kommen zu dürfen. Das ganze Team ist hochmotiviert und wir sind der Meinung, dass wir die Krise gemeinsam überstehen werden.
Seitens unserer Kunden gab es eine wahnsinnige Welle der Hilfsbereitschaft, das hat uns sehr glücklich gemacht. Wir haben in den ersten Tagen sehr viele Gutscheine verkauft, die dann nach der Krise eingelöst werden können. In den ersten paar Tagen konnten damit anstehende Rechnungen und auch die Miete beglichen werden. Meine Vermieterin meinte zwar, dass wir uns keine Sorgen machen müssten, aber sie steht ja in der gleichen Position wie wir. Sie hat auch ihre Verpflichtungen. Wir sind ein veganes Restaurant und leben daher überwiegend von unseren Stammkunden. Und die sind uns alle treu geblieben: Sie kommen jetzt jeden Tag und holen sich was zu essen ab. Das ist einfach super!
Viele Kunden kommen da lieber zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Insgesamt kann man sagen, dass wir uns momentan zumindest über Wasser halten und die Rechnungen bezahlen können. Zwei, drei Monate können wir unter diesen Bedingungen wohl noch durchhalten.«
Tanja Littig, Hotel & Restaurant Amtsstüble, Mosbach
»Ich empfinde die derzeitige Situation als sehr beängstigend. Unser Restaurant ist komplett geschlossen, im Hotel übernachten nur noch einige wenige Geschäftsreisende. Die aktuellen Maßnahmen zur Unterstützung der Gastronomen sind nicht ausreichend. Zwar hat die Überweisung der Soforthilfe gut geklappt, aber es reicht nicht einmal für die Lohnkosten. Auch wenn wir wieder öffnen dürfen, haben wir wohl nicht mehr den gleichen Umsatz wie vor der Krise. Ich blicke mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Wir haben Existenzängste. Die Gastwirtschaft haben wir mit aufgebaut, wir betreiben sie in dritter Generation, die vierte steht in den Startlöchern. Schon meine Eltern haben damals die Gaststätte gehabt. Ich habe Angst, das alles zu verlieren.«
David Rothe, Burgerheart, Heilbronn
»Wir konnten unsere Flexibilität unter Beweis stellen und schnell auf täglichen Abhol- und Lieferservice umstellen. Sogar unser Mittagsdeal wird weiterhin angeboten. Nicht zuletzt ist dies auch meinem engagierten Team zu verdanken, welches bereitwillig Servicetablett gegen Lieferroller getauscht hat. Ohne den starken Zusammenhalt wäre dies nicht so unkompliziert und schnell umsetzbar gewesen. Auch haben wir glücklicherweise sehr treue Gäste. Ohne deren jetzige Unterstützung könnten wir uns nicht über Wasser halten.Wir blicken positiv in die Zukunft. Auch diese Krise wird vorübergehen und wir freuen uns auf die Zeit mit lachenden, glücklichen Gästen im Restaurantbetrieb.«
Johanna Mohrlok, Hotel Rappenhof, Weinsberg
»Das Restaurant haben wir komplett geschlossen und unser Hotel ist lediglich für Geschäftsreisende geöffnet, unsere Mitarbeiter sind zwangsläufig in Kurzarbeit. Wir bieten derzeit aber Zimmer für Leute an, die im Home-Office tätig sind. Wer zu Hause nicht die nötige Ruhe hat, kann sich bei uns ein Zimmer mieten, um ungestört zu arbeiten. Es war zwar super, dass die Soforthilfe relativ schnell ausgezahlt wurde, aber die Situation ist sehr belastend, weil man nicht weiß, wie lange die Beschränkungen noch gelten. Wir haben viele Stammgäste, die gerne kommen und die Schließung sehr bedauern. Der Rappenhof hat in Weinsberg schon eine gewisse Tradition, sodass wir optimistisch sind und glauben, noch einige Zeit durchhalten zu können.«
Heiko Schorn, Hotel Gasthof Zum Ritter, Hassmersheim
»Die momentane Situation ist sehr schwer. Wir mussten quasi alles einstellen, der Hotelbetrieb liegt komplett brach, die Gastronomie haben wir auf den Abholservice umgestellt. Die Lage ist derzeit sehr beängstigend. Die Hilfsmaßnahmen für die Gastronomen halte ich schon für sinnvoll – besser als nichts. Ob sie aber ausreichend sind, ist sicher sehr individuell und bei jedem Gastronomen verschieden. Um die Umsatzeinbrüche abzufedern, haben wir auch viel Werbung in den Sozialen Medien gestartet, aber mehr ist momentan eigentlich nicht machbar. Auf Dauer ist diese Situation nicht zu verkraften. Ich blicke mit gemischten Gefühlen in die Zukunft, weil ich nicht weiß, wie lange es noch gehen wird. Selbst wenn wir wieder öffnen dürften, weiß ich nicht, wieder ebensoviele Gäste kommen würden, wie vorher. Ich glaube nicht, dass wir in diesem Jahr dieselben Besucherzahlen erreichen werden wie vor der Krise. Unsere Gäste freuen sich sehr über das Angebot unseres Abholservices. Wir ändern die Karte wöchentlich und immer wieder neues anbieten. Aktuell bieten wir zehn bis fünfzehn Gerichte an, darunter und auch ein immer wechselndes Tagesangebot. Unsere Gäste unterstützen uns sehr, worüber ich mich sehr freue. Der Abholservice wird hervorragend angenommen. Manchmal machen wir noch ein kleines Dessert als Überraschung dazu, davon sind die Kunden dann immer begeistert und freuen sich, dass wir trotz der Krise für den Gast da sind. Und wir erhalten eine Menge Zuspruch und Ermutigung seitens unserer Kunden. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken.«
Lukas Gauer und Boris Oliver Gauer, Gasthaus Zum Löwen, Buchen
»Von Ende Februar bis Ende April hatten wir geschlossen, derzeit haben wir mit einem To-Go-Angebot geöffnet. Wir bieten gutbürgerliche Gerichte an drei Tagen in der Woche an. Wie lange man die Situation aktuell durchhalten kann, kommt auf die Rücklagen an, die man in der Vergangenheit erwirtschaften konnte. Weil wir ein noch recht junges Unternehmen sind, das erst seit Ende 2016 besteht, haben wir in der Vergangenheit immer sehr viel investiert, zum Beispiel in neue Geräte. Ich finde, dass man sich durch die ganze Situation nicht unterkriegen lassen darf. Die Wochen, in denen wir geschlossen hatten, haben mir schlaflose Nächte bereitet. Aber ich blicke positiv nach vorne. Vielleicht sehen wir in einem Jahr zurück und sagen: Das Jahr 2020 haken wir ab und schmeißen es in den Mülleimer. Und dann starten wir neu.«
Vlad Stoenescu und André Weber, Heilbronner Brauhaus
»Dramatisch und existenzbedrohend. Wir haben zwar einen Web-Shop zur Umsatzgenerierung über das Internet aufgebaut und bieten einen Liefer- und Abholdienst an, über den sich unsere Gäste freuen, aber leider reichen diese Maßnahmen bislang nicht zur Kostendeckung aus. Die staatlichen Hilfen für kleine und mittelständische Betriebe halte ich für ungenügend. Die angebotenen Kredithilfen sind insofern sinnlos, da die Tilgung neuer Kredite einen Umsatzzuwachs benötigt, ganz zu schweigen von den bisher angelaufenen, gestundeten Kosten. Für die Gastronomie müsste schnellstens eine unbürokratische und nicht rückzahlbare Liquiditätshilfe angeboten werden. Auch unsere Kunden und Stammgäste sind von der jetzigen Situation sehr betrübt, denn sie würden sehr gerne wieder gesellige Abende bei uns verbringen.«
Christian Reinhardt, Hotel & Restaurant Reichsadler, Buchen
»Ich habe am 17. März damit begonnen einen Außer-Haus-Verkauf aufzubauen. Im Hotelbereich gibt es ein paar wenige Belegungen durch Geschäftsreisende. Im Hinblick auf die Maßnahmen zum Schutz der Unternehmen glaube ich, dass die Soforthilfe viele Inhaber kleinerer Betriebe kurzfristig beruhigt hat. Auch die Bereitstellung von KfW-Krediten und vor allem die Kurzarbeitsregelung mit Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge sind wichtige Maßnahmen zur Rettung der Betriebe. Trotzdem hilft das alles nur bedingt. Rund drei Mitarbeiter bekomme ich stundenweise damit im Durchschnitt je Woche beschäftigt. Viele fixe Kosten wie Gas, Wasser, Stromabschläge, Lizenzgebühren für Software, Abonnements, Zinsaufwände für ein laufendes Bauprojekt zur Hotelerweiterung und viele mehr kann ich leider nicht abstellen. Wenn keine Perspektive für die Gastronomie erkennbar wird, nützt das vielen gar nichts – sie werden trotzdem pleite gehen. Im Sommer, wenn möglicherweise doch noch in eingeschränktem Umfang eine Außenbewirtschaftung möglich sein wird, werden dennoch deutliche Einbußen zu spüren sein. Bei doppeltem Sitzabstand werden wir maximal 50 Prozent der Gäste bewirten können. Das heißt aber leider nicht, dass auch nur 50 Prozent der Kosten anfallen. Ich kann schließlich nicht jede zweite Arbeitskraft zu Hause lassen. Es wird sicherlich angespannt bleiben. Egal welche Lockerungen getroffen werden: Es werden sich weniger Menschen in den öffentlichen Raum der Gastronomie begeben und viele Betriebe werden sich nicht mehr rentieren können. Es bringt nichts schwarz zu malen. Auch Verlustphasen müssen wir überwinden können und wir sollten das nicht zu sehr an uns ranlassen. Ich glaube fest daran, dass wir in zwei bis drei Jahren darauf anstoßen können, diese Phase überstanden zu haben. Das wünsche ich auch allen Kolleginnen und Kollegen und den ähnlich Betroffenen in anderen Branchen. Bis dahin wird es sicher hart bleiben. Bedanken möchte ich mich herzlich bei unseren Kunden. Viele bestellen regelmäßig bei uns, zeigen Verständnis für die Situation und machen uns Mut. Sich an den negativen Dingen dieser Zeit aufzuzehren hilft nichts. Um diese Phase zu überstehen – auch mental – ist vor allem eines wichtig: Optimismus.«
Alessandro Estrano, Ristorante Oggi, Mosbach
»Seit März war unser Restaurant komplett dicht, seit dem 4. Mai bieten wir aber wieder einen Abholservice an. Da ich Geschwister in Italien habe und wir gesehen haben, wie schlimm sich die Dinge dort entwickelten, haben wir uns zu diesem Schritt entschlossen. Ich wollte meine Kunden und auch meine Mitarbeiter einfach schützen. Meine Eltern, die auch im Restaurant mitarbeiten, gehen auf die Sechzig zu und ich möchte sie keinem Risiko aussetzen. Der Schutz der Gesundheit von Menschen steht für mich an erster Stelle.
Wir hätten am 21. März eigentlich unser 20-jähriges Bestehen gefeiert. Sollten die Gastronomen vielleicht im Mai wieder öffnen dürften, möchte ich die Feier in kleinem Rahmen nachholen. Denn ich möchte keinesfalls mit einer größeren Veranstaltung ein Risiko eingehen.«