Seit mehr als 60 Jahren ist das Württembergische Kammerorchester Heilbronn (WKO) eines der musikalischen Aushängeschilder der Region. Weltstar-Solisten und Künstler spielen regelmäßig mit dem auch international renommierten Kammerorchester zusammen. MORITZ hat das WKO besucht und mit Intendant Rainer Neumann über die bewegte Historie, Herausforderungen in der Gegenwart und die Zukunft der Ausnahmetruppe gesprochen.
Getragene, harmonische Streicherklänge treiben durch den holzvertäfelten Proberaum. Plötzlich ein jäher Abbruch: »Stopp, bitte.« Die Musiker blicken überrascht auf. Der Amerikaner Case Scaglione, seit 2018 Chefdirigent des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn, sucht nach den passenden Worten: »Der Übergang wirkt nicht ganz...wie sagt man...organic. Bitte nochmal ab Takt 15.« Alle nicken, blättern und heben ihre Instrumente. Der junge Scaglione wirkt wie ein Sinnbild für die neuen Zeiten, in denen sich das WKO befindet, wie auch Intendant Rainer Neumann bestätigt: »Die Kammerorchester-Landschaft hat sich sehr stark verändert und gewandelt, auch für uns.« Seit seiner Gründung im Jahr 1960 durch Jörg Faerber hat sich das WKO zu einem Kammerorchester mit internationalem Renommee entwickelt. Kooperationen mit Star-Solisten wie Ann-Sophie Mutter, nationale und internationale Gastspiele sowie die regelmäßigen Abonnement-Konzerte in Heilbronn und Ulm sorgten dafür, dass das WKO die klassische Musik in der Region wie auch in Deutschland entscheidend geprägt hat. Doch nicht erst seit Corona ist ein Wandel zu beobachten, der auch das WKO entscheidend beeinflusst, wie Rainer Neumann erklärt: »Die ersten Kammerorchester wurden von einzelnen Persönlichkeiten gegründet und von diesen auch geprägt – in unserem Fall Jörg Faerber und später dann Ruben Gazarian.« Mittlerweile gebe es aber deutlich mehr als nur eine Handvoll Kammerorchester in Deutschland, die sich mit regelmäßig wechselnden Chefdirigenten musikalisch stetig weiterentwickeln – eine Normalität, die beim WKO mit dem Engagement des Amerikaners Case Scaglione nun auch Einzug gehalten hat. Die Neuerungen hören da aber nicht auf: So gibt es mit Emmanuel Tjeknavorian erstmals einen festen Artist-in-Association und mit dem Cellisten Friedrich Thiele einen mit dem WKO verbundenen Young-Artist. »Für das WKO ist das ein back-to-the-roots, freilich neu aufgesetzt und mit viel künstlerischem Potenzial für die Zukunft«, betont Neumann.
Das WKO ist bekannt als auf höchstem Niveau musizierendes Kammerorchester – was nicht selbstverständlich ist: Dahinter steckt ein verhältnismäßig kleiner Betrieb: »Da müssen alle mit Herzblut dabei sein, sonst funktioniert das nicht«, so Neumann. »Hier gibt jeder 150% – die Musiker und das gesamte Team.« Anders als bei Symphonieorchestern fällt hier jeder einzelne Fehler direkt auf: »Hier sitzt jeder auf der Stuhlkante, jeder ist gefordert.« Das mache Kammerorchester aber auch so spannend. Aus diesem qualitativen Kern wollen Neumann und das WKO nun neue Wege für die Zukunft schaffen: Geplant ist, eine enge Bindung zu den Solisten aufzubauen und sich mit der aufkommenden Generation junger und talentierter Musiker neu zu vernetzen. Rainer Neumann: »Die Energie, sich nach vorne zu bewegen ist da, das spürt man.«