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Foto: Sascha Vaughan Paquita
Les Ballets Trockadero de Monte Carlo
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Tory Dobrin
Die etwas andere Ballett-Kompagnie »Les Ballets Trockadero de Monte Carlo« aus New York gastiert vom 9. bis 14. August im Theaterhaus Stuttgart. MORITZ-Redakteur Thomas Moegen sprach mit dem Artistic Director der »Trocks« Tory Dobrin.
MORITZ: Ist das klassische Ballett eine aussterbende Kunstform?
Tory Dobrin: Auf gar keinen Fall. In Deutschland, in München, Berlin, Düsseldorf und gerade in Stuttgart gibt es hervorragende Ballettkompanien und ein fachkundiges Publikum. Je besser und lebendiger die Ballett-Szene ist, umso besser müssen auch wir sein. Wir sind als Variation des Balletts Teil der klassischen Ballett-Szene.
MORITZ: Machen Sie sich ein bisschen über das Ballett lustig?
Tory Dobrin: Nun, wir sind ein Ensemble, das ausschließlich aus männlichen Tänzern besteht. Um Comedy und Komik in unsere Show zu bringen, bauen wir gezielt Elemente des Drag ein. Wir verkörpern den Spaß am Ballett. Aber wir machen uns nicht über Ballett lustig, denn wir lieben es ja. Obwohl wir außergewöhnlich sind, ist es interessant zu beobachten, wie vielschichtig unser Publikum ist: Ballett-affine Frauen bringen ihre Männer mit, die Ballett hassen, oder ihre Kinder, die überhaupt keinen Bezug zum Ballett haben. Auch viele ältere Menschen, die einen spaßigen Abend haben möchten, sind genau so vertreten wie absolute Ballett-Kenner. Die Auftritte der „Trocks“ haben viele bunte Charakteristika, die für Theater-und Musik-Begeisterte attraktiv sind.
MORITZ: Frauen erschaffen, Männer zerstören? Unterdrücken viele Männer weibliche, kreative Charakterzüge, die ihre Tänzer rauslassen?
Tory Dobrin: So kann man das nicht sagen, das wäre viel zu einfach. Die Welt und auch das Ballett sind komplizierter und Menschen sind sehr verschieden. Unsere Tänzer besitzen alle komische und lustige Wesenszüge, die sie so im klassischen Ballett vielleicht nicht ausleben könnten. Aber es kommt darauf an, was man sucht. Ich gehe ja nicht in eine Kunstausstellung mit klassischen Gemälden, wenn ich mich eigentlich für Bilder der Pop Art oder der Modern Art interessiere. Wir wollen in erster Linie den Spaß innerhalb der Kompanie auf das Publikum übertragen.
Foto: Sascha Vaughan
Les Ballets Trockadero de Monte Carlo
MORITZ: Empfinden Sie Ihre Arbeit als anstrengend und hart?
Tory Dobrin: Überhaupt nicht. Wir lieben unsere Arbeit. Deshalb strengen wir uns an und sind oft den ganzen Tag beschäftigt, um unsere Ziele auch wirklich zu erreichen. Die Proben in New York finden normalerweise von 10 bis 19 Uhr statt. Die meiste Zeit des Jahres verbringen wir aber auf Tour. Vor den Aufführungen am Abend starten wir gegen 14 Uhr mit den Proben und dem Aufwärmen. Man könnte sagen, dass das lange Tage sind, aber wir erleben auf unseren Reisen ja auch sehr viel. Immer wieder neue Menschen und Spielorte, immer wieder neue Eindrücke. Würde das für jemanden von uns zur Routine verkommen, was eigentlich nicht passieren kann, könnte dieser ja jederzeit die Kompanie verlassen.
MORITZ: Ihre Kompanie kämpft seit mehr als 40 Jahren auch für höhere Akzeptanz von Homosexualität in der Gesellschaft. Haben Sie diesen Kampf nicht schon längst gewonnen?
Tory Dobrin: Ich kam 1980 zu den „Trocks“ und bis in die 90er-Jahre hatten wir definitiv eine andere Situation als jetzt. Viele politische Bewegungen haben Änderungen bewirkt, die wir damals für unmöglich gehalten hatten. Unter Obama wurden gleichgeschlechtliche Ehen erlaubt, auch beim Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare hat sich viel getan. Die Drag-Queen RuPaul moderiert im US-amerikanischen Fernsehen eine sehr erfolgreiche Show. Die Zeiten haben sich sehr geändert, heute haben wir zwei verheiratete Pärchen im Ensemble, das hätte ich nie gedacht. Natürlich haben wir auch viele Gegner. Unter den Menschen ist es leider ganz normal, dass man die Religion, Herkunft oder sexuelle Orientierung eines anderen ablehnt. Das wird sich nie ändern.
MORITZ: Kommuniziert Ihre Kompanie mit anderen Ensembles?
Tory Dobrin: Wir sind viel in der lebendigen New Yorker Tanz-Szene unterwegs und tauschen uns regelmäßig aus. Wir nahmen kürzlich an Galas in Kalifornien und Buenos Aires teil. Letzte Woche waren wir auf einer Gala im Opernhaus in Augsburg und bei Hannover. Unsere Tänzer nehmen auch mal einzeln an Shows teil und treffen dort auf andere, sehr begnadete Tänzer. Wir haben tolle Künstler, aber wir konkurrieren nicht mit Ballett-Tänzerinnen, denn wir wollen nicht, dass uns das Publikum als Frauen empfindet. Wir sind Männer auf Spitzenschuhen und können die Eleganz und Leichtigkeit von Ballett-Frauen nicht erreichen. Müssen und wollen wir ja auch nicht. Ich vergleiche das mal mit Tennis, mit Steffi Graf und Andre Agassi. Sie betreiben beide denselben Sport. Steffis Spiel ist anmutig und besitzt Finesse. Andre beeindruckt mit roher Kraft und Stärke. So denken wir über unser Spiel und unser Tennisschläger ist der Spitzenschuh.
MORITZ: Wo hatten die „Trocks“ das beste Feedback vom Publikum?
Tory Dobrin: Die Reaktionen sind eigentlich überall sehr positiv. Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede und Gewohnheiten in den Theaterhäusern. In asiatischen und katholischen Ländern ist das Publikum während der Vorstellung eher ruhig und am Ende sehr enthusiastisch. In englischsprachigen Ländern gibt es eine Musical-Tradition, deswegen ist das Publikum dort während des Auftritts lebhaft. In Amsterdam, Berlin oder Köln waren immer viele Theaterschaffende und viele Familien im Publikum, das hat man bei der Stimmung gemerkt. Wir möchten ein interagierendes Publikum, das auf die Performance auch reagiert.
MORITZ: Wo war die Reaktion nicht so gut?
Tory Dobrin: Das ist etwas länger her. Wir spielten in der Alhambra im spanischen Granada vor einer wundervollen Kulisse. Das Publikum dachte, wir seien das Ballett von Monte Carlo und erwartete etwas völlig anderes. Alle Zuschauer waren elegant gekleidet, die Damen hatten wunderschöne traditionelle Kleider an. Als sie dann bemerkten, dass wir kein klassisches Ensemble waren, verließen sie ziemlich schnell das Theater. Das war ganz schön komisch. Als wir das nächste Mal dorthin kamen und in der Öffentlichkeit auftraten, waren Echo und Applaus überwältigend und die Leute umringten uns, um zu sehen, worum es ging. Ziemlich interessant.
MORITZ: Ziemlich lustige Geschichte.
Tory Dobrin: Ja, schon. Aber wenn man das erlebt, ist es gar nicht so lustig. Wenn man im Nachhinein darüber nachdenkt, muss man schon schmunzeln.
MORITZ: Haben die „Trocks“ eine politische Botschaft? Wie verhält sich die zu Entertainment?
Tory Dobrin: Unterhaltung und Politik ergänzen sich. Es ist eine Drag-Performance. Wenn man einen Mann in ein Frauenkleid steckt, ist das natürlich ungewöhnlich. Das Publikum sieht also in einer gewohnten, erwarteten Ballett-Umgebung auf der Bühne etwas völlig Ungewohntes, das könnte man als politische Handlung bezeichnen. Wir thematisieren politische Anliegen Homosexueller wie gleichgeschlechtliche Ehe oder Adoption nicht. Auf der Bühne fokussieren wir uns auf Gender Issues und die Beziehung zweier Persönlichkeiten untereinander, hauptsächlich zwischen Frau und Mann. Wir könnten auch den Kampf ums Weiße Haus zwischen einem verrückten Mann und einer brillanten Frau abbilden, aber darum geht es uns nicht. Unsere individuellen Tänzer spielen einfach sehr facettenreiche, nicht ganz einfache Charaktere, die aber stark rüberkommen und überzeugen. Es ist eben Drama und Komödie. Und gerade die Darstellung von Komödie erfordert beste schauspielerische Fertigkeiten.
Les Ballets Trockadero de Monte Carlo Di. 9. bis So. 14. August, Theaterhaus,
Stuttgart, www.bb-promotion.com