Tokio Hotel waren schon immer mehr als nur ihre Musik. In mehr als anderthalb Jahrzehnten Bandgeschichte haben Bill, Tom, Georg und Gustav sich ihren ganz eigenen Kosmos, ja, eine eigene Welt erschaffen – und mit jedem Song, jedem Musikvideo und vor allem den internationalen Konzerten und Touren für die Fans erlebbar gemacht. Mit neuem Album im Gepäck geht es für die Band 2023 endlich wieder auf Tour.
Wie fühlt es sich an nach zwei Jahren Pause wieder auf Tour gehen zu können?
Bill: Ach, das fühlt sich irgendwie aufregend an. Wir sind eigentlich eine sehr nervöse Band, also wir sind in all den Jahren auf der Bühne nicht cooler geworden. Ich glaube sogar, es wird immer schlimmer. Je älter wir werden, desto aufgeregter sind wir vor unseren Shows. Ich finde mit 15 ist mir das noch alles leichter gefallen als heute. Gleichzeitig fühlt es sich natürlich auch ein bisschen an, wie nach Hause kommen. Wir haben in den vergangenen Jahren schon einige kleinere Gigs spielen können, immer wenn wir dann wieder zusammenkommen und im Proberaum sitzen, ist man sofort wieder drin. Das hat auch etwas sehr Schönes. Die Welt kann sich verändern, wie sie möchte, aber wir in unserer Tokio Hotel Blase bleiben uns treu. Wir sind also positiv aufgeregt und echt neidisch auf die vielen anderen Bands, die schon mit ihren Touren starten konnten. Es wird Zeit, dass wir endlich auch auf die Bühne können.
Georg: Ja, die ganze aufgestaute Energie muss raus. Wir sind es eigentlich gewohnt, um die 70 Shows im Jahr zu spielen. Während Corona haben wir zwar gemeinsam viel Zeit im Studio verbringen können, was auch sehr schön war, aber am Ende geht es darum live vor Leuten zu spielen und ihre Reaktionen auf unsere Musik mitzubekommen. Da herrscht bei uns einfach eine riesige Vorfreude, dass wir in diesem Jahr wieder starten können.
Die Zeit im Studio wurde dann gut genutzt, um das neue Album »2001« fertig zu stellen. Wie lief die Arbeit am Album ab?
Bill: Ach das war ganz schön, weil wir uns natürlich viel Zeit gelassen haben. Wir sind ja sowieso eine Band, die sich viel Zeit lässt mit Alben. Das wir nicht so wahnsinnig schnell sind, wird uns auch recht oft vorgeworfen. Aber die Arbeit am Album war echt schön, weil wir auch mal wieder die Möglichkeit hatten, viel Zeit miteinander zu verbringen. Ich bin niemand der sagt: »Wir müssen heute einen Hit schreiben!« Ich finde ganz oft ist es auch ungeheuer wichtig einfach nur rumzuhängen. Wir trinken nur ein bisschen Bier und bestellen Pizza und das gehört bei uns im kreativen Prozess einfach auch dazu. Es ist ja auch sehr schön zu sehen, nach über zwanzig Jahren als Band, das wir immer noch sehr gerne Zeit miteinander verbringen und auch mal keinen Druck haben einen Song zu schreiben. Dann gibt es Tage, an denen man auf einmal fünf Nummern im Kopf hat und sich denkt: »Total geil, habe ich schon die Hälfte vom Album fertig.« Aber es fliegen auch ganz schnell wieder Lieder runter von der Platte. Wir hatten zwischenzeitlich schon fast ein Album fertig, aber dann sind auf einmal ganz viele Dinge im Studio passiert, nach denen wir uns entschieden haben, fast die Hälfte der Songs noch einmal zurückzustellen. Also wir könnten eigentlich gleich noch ein zweites Album rausbringen. Aber ich glaube, es war einfach gut, dass wir die Zeit hatten ohne Stress Musik zu machen, uns mit vielen Songschreibern und Produzenten zu treffen und viele neue Begegnungen zu haben. Ich glaube das hat der Platte enorm gutgetan.
Auf dem Album gibt es viele Songs mit ganz verschiedenen Künstlern. Wie kam es zu diesen neuen Begegnungen?
Bill: Ja, das ist bei uns immer ein wenig ungeplant. Das Wichtigste bei einer Zusammenarbeit für mich ist es, dass man sich gut versteht. Ich glaube nicht, dass man jemanden für ein Feature auszusuchen sollte, nur weil er gerade angesagt ist. Wenn wir mit anderen zusammenarbeiten, dann muss es im Studio knistern. Das hatten wir auf jeden Fall mit VIZE, da sind ja gleich mehrere Songs entstanden. Wir haben auch zusammen »Bad Love« geschrieben, auch wenn es kein offizielles Feature ist, einfach weil Vitali und die ganze Gang super talentierte Produzenten und Songschreiber sind. Die Zusammenarbeit lief so ab, dass wir drei oder vier Tage im Studio rumhingen. Zwei Tage haben wir damit verbracht Videospiele zu spielen, zu trinken und Kette zu rauchen und dann haben wir es irgendwie geschafft an einem Tag gleich drei oder vier Songs gemeinsam zu schreiben. Das war total schön, weil es ganz natürlich entstanden ist. Seit dieser Zeit sind wir auch sehr gut miteinander befreundet. Das sind einfach diese magischen Momente, die es braucht, damit ein wirklich gutes Feature entstehen kann. Das lief alles ohne den ganz großen Plan ab. Also wir haben nicht vorher gesagt wir müssen den Titelsong von Germany´s Next Topmodel schreiben oder so. Es ist immer schön, wenn so etwas ganz organisch entsteht.
Der erste Song auf dem Album ist der Tokio Hotel Hit schlecht hin »Durch den Monsun« in einer neuen Fassung. Warum habt ihr euch für diese Neuauflage entschieden?
Georg: Wir wollten zum 16. oder 17. Geburtstag des Songs einfach mal etwas Besonderes machen. Wir hatten schon lange überlegt ein Remake zu produzieren und in dem Moment hat es sich einfach richtig angefühlt. Wir fanden es sehr passend, das Album mit einer Hommage an den Song beginnen zu lassen, der uns dahin gebracht hat, wo wir heute stehen. Wir haben nur den Songtext genommen und uns überlegt, wie der Sound klingen würde, wenn wir 2020 noch einmal von einem weißen Blatt Papier aus starten würden.
Bill: Ich finde die neue Version schon ziemlich geil, Aber ich habe vor allem bei diesem Projekt gemerkt, wie wir uns als Band verändert und entwickelt haben. Es ist einfach sehr schön zu wissen, dass bei uns immer noch so viele neue Ideen entstehen. Aber natürlich ist der Song als Hommage gedacht. Bei unseren Konzerten werden wir weiterhin die Originalversion spielen.
Im Mai seid ihr dann auch wieder in Stuttgart. Wie hat euch die Stadt gefallen?
Georg: Wir waren schon einige Male in Stuttgart und gucken eigentlich immer von unserem Hotel auf eine Baustelle. Aber ohne Spaß, Stuttgart ist und war immer schon eine wunderschöne Stadt. Das Essen ist immer toll. Die Jungs, gerade wenn sie aus Amerika kommen, lieben deutsches Essen. Bei uns gibt es immer Spätzle. Aber auch die Energie im Im Wizemann ist echt etwas Besonderes, weil das Publikum sehr nah dran ist, es immer super heiß ist und es einfach sehr viel Spaß macht.
Bill: Ich liebe das Venue. Also wir haben immer eine wirklich gute Zeit in Stuttgart gehabt. Ich finde die Leute immer extrem nett und den Dialekt echt bezaubernd. Wir haben auch immer einen Off-Day in Stuttgart, da sind wir oft draußen im Grünen mit unseren Hunden spazieren gegangen. Ich habe nur gute Erinnerungen an Stuttgart und freue mich schon auf unseren Auftritt.
Tokio Hotel
Die Tokio Hotel Diskografie
LPs:
Schrei (2005)
Zimmer 483 (2007)
Humanoid (2009)
Kings of Suburbia (2014)
Dream Machine (2017)
2001 (2022)
Singles (Auswahl):
Durch den Monsun (2005)
Schrei (2005)
Rette mich(2006)
Der letzte Tag (2006)
Übers Ende der Welt (2007)
Spring nicht (2007)
An deiner Seite (Ich bin da) / 1.000 Meere (2007)
Automatisch (2009)
Love Who Loves You Back (2014)
Feel It All (2015)
Something New (2016)
What If (2017)
Melancholic Paradise (2019)
Berlin (2020)
Here Comes the Night (2021)
Bad Love (2022)