Billy Andrews hat eine klassische Ausbildung als Tenor und begeistert seit zehn Jahren mit seinem Projekt »The Dark Tenor«. Er inszeniert klassische Musik modern, schreibt um klassische Stücke von beispielsweise Mozart seine eigenen Songs und schlägt so eine Brücke zu Pop, Rock und Metal.
Wie kamen Sie auf den Namen der The Dark Tenor und was steckt dahinter?
Es gab ja mit Adorno sowas wie eine Boyband der Tenöre. Und wir, ein befreundeter Produzent und ich, haben uns damals überlegt, wie wäre es denn, wenn es eine etwas kantigere und eckigere Variante davon gibt. Es sollte aber nicht die Mission sein Pop-Songs als Tenor zu singen und Arrangements zu machen, sondern eigene Songs zu schreiben, die Klassik beinhalten. Und damit vielleicht auch dem einen oder anderen den Zugang zur Klassik etwas leichter zu machen würde. Klassische Musik ist häufig sehr elitär und sehr starr und wird hinter verborgenen Samt-Tüchern quasi als heiliges Großes gesehen.
Was darf das Publikum erwarten, wenn man sie live erlebt?
Das Publikum erwartet eine Show mit einer aufwändigen Lichtshow, die diese wunderbaren klassische Stücken, die im Rahmen eigener Songs mit einer Rockband, gespielt werden inszeniert. Das Programm ist circa zwei Stunden lang und besteht aus den berühmtesten klassischen Melodien, inklusive meiner eigenen Songs, die natürlich auch dazugehören. Ich versuche etwas entstehen zu lassen, was vorher so vielleicht noch nie gezeigt wurde und wofür ich selbst ein Ticket kaufen würde, um einen schönen Abend zu haben. Das ist immer meine Maßgabe.
Wie sehen Sie die klassische Musik in der heutigen Popkultur?
Ich freue mich auf jeden Fall darüber, dass es wieder sowas wie einen Trend gibt, klassische Titel in Hip-Hop-Songs zu verarbeiten oder dass sogar in großen Welthits kleine Schnipsel der Klassik wiederzufinden sind, die Popkomponisten in ihre Songs einarbeiten. Ich finde das wirklich großartig und hoffe, dass das Genre der Klassik, doch eine gute Überlebensfähigkeit hat. Viele Komponisten, die im Bereich Pop und auch Rock unterwegs sind, sind teilweise riesengroße Klassik-Fans, weil sie Klavier gelernt haben, oder in einem Chor singen durften und Berührung mit Klassik hatten. Oder weil die Melodien eben auch einfach so eingängig sind. Wenn wir uns zum Beispiel mal „Für Elise“ anhören: Ich kenne kein anderes Lied was mit zwei Halbtönen anfängt und eine solche Verbreitung bekommen hat. Das ist eigentlich völliger Wahnsinn.
Das Genre Klassik ist ein sehr weites Feld. Wie wählen ihre klassischen Werke aus, die Sie in Ihre Musik integrieren? Haben Sie eine Epoche, die Sie besonders gern verwenden in Ihren Liedern?
Tatsächlich habe ich mich am Anfang um die Klassikstücke gekümmert, die die meisten Leute schon kennen, um die Brücke so schnell wie nur möglich zu schlagen und den Zugang zu vereinfachen. Das hat sich aber auch gewandelt. Wir sind bei Mozarts Vierzigster und bei Beethovens Fünfter natürlich in einem eher leichten Gewässer, das die Menschen schon kennen.
Ich versuche eine gute Mixtur aus Stücken zu finden, die die Menschen kennen die sie vielleicht erstmal nicht aus der Klassik verorten. Ich gehe aber auch auf kontemporäre Klassik ein, zum Beispiel mit Neoklassik von Komponisten wie Yiruma mit seinem sehr, sehr berühmten „River Flows In You“. Ich habe mir auch ein, zwei Stücke von Ludovico Einaudi ausgesucht, die ich gerne bearbeiten würde.
Ich gehe da erstmal so vor, dass ich Stücke, die ich selbst schön finde, verarbeite. Eine Bach-Motette zu verarbeiten, wird natürlich ein kleines bisschen schwieriger, aber wir haben zum Beispiel aus dem Mozart-Requiem das „Dies Irae“ genommen und mit E-Gitarre, Schlagzeug und einem riesengroßen fetten Chor inszeniert.
Ich stelle mir sehr gerne die Frage: „Wie hätte es Mozart denn heutzutage komponiert?“ Hätte er eine E-Gitarre als Mittel genommen oder hätte er vielleicht etwas aus dem Hip-Hop genommen, um das „Dies Irae“ darzustellen? Auf jeden Fall ist es interessant die Gesichter im Publikum zu sehen, die vielleicht das gleiche Erlebnis haben, wie jemand, der damals dieses Requiem das allererste Mal gehört hat. Das Publikum muss damals ja völlig geplättet gewesen sein. Schließlich gab es kein Radio oder Spotify, es gab vielleicht ein paar Straßenmusiker oder Hausmusik, aber grundsätzlich hat man diese Gewalt an Musik das erste Mal überhaupt wahrgenommen. Das muss einfach fantastisch gewesen sein. Und so versuche ich genau dieses Lebensgefühl mit der Rockband auf der Bühne ein Stück weit zurückzubringen.
Was sind Ihre musikalischen Vorbilder oder was würde Sie reizen für eine Zusammenarbeit?
Meine rockmusikalischen Vorbilder waren Bon Jovi, Green Day, die Foo Fighters, Guano Apes und H-Blockxs. Aus der Klassik ist meine große Ikone, zu der ich aufschaue, Luciano Pavarotti. Wenn ich mir eine Zusammenarbeit wünschen könnte, dann wäre es aus dem Bereich Klassik Anna Netrepko. Das wäre ein toller Duettpartner. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das passiert, weil unser Genre, das Klassik-Crossover, ist eher verrufen in der richtigen Klassik. Aus dem Rockbereich würde mich sehr reizen mit jemandem wie OneRepublic zusammenzuarbeiten. Weil sie auch Melodien schaffen, die man vielleicht eher bei Mozart vermuten würde und es in einem sehr breiten Kontext immer wieder schaffen Menschen zu begeistern. Und das machen sie vor allem mit einfachen Melodien. Das ist ja die Kunst am Songwriting: mit einer einfachen Melodie, die erstmal gar nicht so schwer klingt, die Menschen in den Bann zu ziehen und sie für etwas zu begeistern, was sie vorher noch gar nicht kannten.
Sie experimentieren mit 3D-gedruckten Instrumenten. Was macht da denn Reiz aus?
Letztlich ist der 3D-Druck von klassischen Instrumenten genau das, was ich auch musikalisch mache: Nämlich einen Weg zu finden, wie man klassische Instrumente mit neuen Werkstoffen und Technologien interessanter gestalten kann. Vom Werkstoff her ist es darüber hinaus so, dass zum Beispiel eine gedruckte Geige wesentlich bruchresistenter ist als eine Holzgeige. Es könnte gerade für Schulen ein sehr interessantes Medium sein, um Kids zu zeigen, wie cool so eine Geige sein kann.
Es gibt einige Schulen, die bereits einen 3D-Drucker haben, dann könnten sie diese Geige sogar selbst ausdrucken und zusammenbauen. Die Geigen bestehen einfach aus zwei Teilen, da kommen Seiten dran und das war's. Man hat so nicht nur den Zugang zu einem Instrument, das günstiger ist als eine Holzgeige und nicht so schnell kaputt geht, sondern es gibt auch noch diesen Technik- und Faszinationsaspekt: Man baut das Instrument selbst zusammen und kann dann darauf spielen. Es ist ein Projekt, das ich mit sehr viel Herz verfolge und ich hoffe, dass die ersten Schulen vielleicht nächstes oder übernächstes Jahr damit starten. Das hat natürlich auch immer mit Geld zu tun, aber auch hier gibt es Partner, mit denen wir arbeiten können.
Ihr neues Album „Symphony of Light 2 „kommt im Dezember raus. Können Sie schon etwas verraten?
Wie jeder Künstler es sagen würde: Es ist es das beste Album, das ich jemals gemacht habe. Es beinhaltet tatsächlich auch klassische Melodien, die ich auf dem Album „Symphony of Light“ (2014) bereits veröffentlicht habe. Ich habe mir diese Klassikstücke nochmal vorgenommen. Ich habe 2019 eine eigene Plattenfirma gegründet und habe jetzt um die Klassikstücke vollständig neue Songs geschrieben, die der heutigen Zeit entsprechen. Ich folge meiner eigenen Mission, einen Musikstil zu wählen, der heutzutage mehr Menschen erreichen kann, um dieses fantastische Genre weiter in die Ohren der Menschen zu bringen.
Ich habe mich dann zum Beispiel mit Beethovens Fünfter oder dem wunderschönen Schwanensee und auch einigen weiteren Stücken neu auseinandergesetzt. Das war für mich total aufregend, weil ich ja, diesen alten Song noch im Kopf hatte, aber umdenken musste, wie der Song denn eigentlich nun gehen könnte, wenn man das vollständig neu interpretiert. Ich flog dann nach Helsinki, wo ich inzwischen fast alle Songs schreibe und produziere. Ich glaube, dass da ganz gute Ideen gekommen sind und bin schon sehr gespannt, was das Publikum dazu sagen wird. Die Songs werden natürlich auch auf der Tournee im Herbst gespielt.
Sa. 21. September, 20 Uhr,
Congress Centrum Heidenheim, www.thedarktenor.com