Dieter Nuhr
Er ist einer der erfolgreichsten Kabarettisten Deutschlands, ob im TV oder auf der Bühne – sein Publikum liebt Dieter Nuhr. Und er ist vor allem einer, der sich nicht den Mund verbieten lässt. Dass man dann als »islamophober Hassprediger« angezeigt wird, ist nur die Spitze des Eisbergs. Im April gastiert der 54-Jährige mit seinem Programm »Nuhr ein Traum« in Reutlingen. MORITZ-Redakteur Alexander Steinle sprach mit ihm über alles, nur nicht den Islam. Dazu ist genug gesagt worden.
Herr Nuhr, was ist Ihr persönlicher größter Traum?
Überleben. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich sterbe, sinkt von Tag zu Tag, wenn man bedenkt, dass das Universum 13,8 Milliarden Jahre lang existiert, ohne dass mein Tod bisher jemals eingetroffen wäre. Mein Traum ist, den Kosmos zu überleben. Mal sehen, ob das hinhaut. Ich sag Bescheid.
Welche Sorte von Menschen liegen Ihnen mehr: die Träumer oder die Realisten?
Ich finde Träumer nett, so lange sie nicht auf Basis ihrer Träume sachliche Entscheidungen fällen, die auch mich betreffen. Jeder kann zum Beispiel von einem gütigen Gott im Himmel träumen, aber wenn er sich in die Luft sprengt, um mich von seinem Glauben zu überzeugen, werde ich ungehalten.
Als Kabarettist darf man nie den Blick für die Realität, für die Gegenwart verlieren. Was heute mit Blick auf die täglichen Nachrichten nicht immer die unbeschwerteste Aufgabe zu sein scheint. Warum ist Humor der beste Weg, um Missständen im Leben zu begegnen?
Das Leben an sich ist ein lächerlicher Vorgang und ohne Humor auch sinnlos. Eine sachliche Bestandsaufnahme der menschlichen Geschichte sagt uns: Krieg, Gewalt, Hunger sind weit normaler, als die komplizierte zivilisatorische Konstruktion, die uns heute einen so friedlichen Alltag ermöglicht. Deshalb sollten wir uns freuen und lachen, lachen, lachen...
Humor ist nichts Absolutes, jeder hat seinen eigenen Sinn für Humor. Was entgegnen Sie Menschen, die Ihnen sagen, Sie wären gar nicht so lustig?
Dass sie dann nicht zu mir zum Auftritt kommen sollten. Es gibt ja auch noch andere Humoristen. Ich kann und will es gar nicht allen recht machen. Wenn jemand nicht lustig findet, was ich mache, kann er sich jederzeit was anderes angucken. Kein Problem. Kunst ist ja immer nur ein Angebot. Das wird oft missverstanden. Leute sind ja gern beleidigt, wenn einer einen anderen Humor hat. Das spricht dann eigentlich dafür, dass grundsätzliche Humorlosigkeit diagnostiziert werden muss.
Wer war die humorloseste Person, der Sie je begegnet sind?
Da führe ich nicht Buch. Aber es sind oft diejenigen, die als lustig gelten, die gar nicht gut ertragen können, wenn andere eine Pointe haben. Ich war früher ab und zu in Comedysendungen dabei, in denen sich die Humoristen um das Recht der letzten Pointe stritten. Man ahnt nicht, wie humorlos manche Komiker sein können. Auch Kabarettisten sind oft beleidigt, wenn nicht ideologisch korrekt gelacht wird. Da ist mir jemand, der offensiv humorlos ist, lieber.
Als Kabarettist legt man den Finger in die Wunde, man eckt an. Damit findet man nicht nur Freunde. Können Sie selbst über beleidigende Kommentare, die sich gegen Sie richten, lachen? Oder nehmen Sie das ernst?
Die Aggressivität macht mir manchmal Sorgen. Dadurch, dass sich jede Wurst und jeder Wurm im Internet anonym äußern können, kommt zum Vorschein, welches Potenzial einerseits an Hirnlosigkeit, andererseits an Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft schlummert. Ich halte deshalb Anonymität für etwas sehr Gefährliches. Grundlage jeglicher Zivilisation ist, dass man Menschen für ihr Handeln verantwortlich machen kann. Dazu braucht es erkennbare Identitäten.
Wie oft kommt es vor, dass Sie gerne mal wie die berühmten drei Affen wären: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen?
Täglich. Ich war die Vorlage für diese Figuren. Ich bin ja hobbymäßig trizophren.
Am 23. April kommen Sie nach Reutlingen. Schwaben gelten doch als geizig, spießig und humorlos. Wieso ist ihr Auftritt in der Stadthalle eigentlich jetzt schon ausverkauft?
Weil Vorurteile nicht immer hundertprozentig zutreffen. Offenbar wird auch unter Schwaben gern gelacht. Deshalb spiele ich auch seit 25 Jahren in der Gegend. Ich biete ja keinen Kabarettabend mit den üblichen Weltuntergangspsychosen, sondern ein therapeutisches Programm mit dem Ziel, die Lebensfreude des Publikums zu heben. Das ist überregional und kulturübergreifend.
Bleibt bei all dem Trubel rund um einen Auftritt noch Zeit zum Sightseeing? Immerhin hat Reutlingen die engste Straße der Welt...
Die wollte ich schon immer mal sehen. Vielleicht treffe ich abends auch noch den breitesten Reutlinger. Man weiß nie.
Sind Live-Auftritte für Sie noch harte Arbeit oder ist da bereits so viel Routine vorhanden, dass Sie das Programm auch mit 40 Grad Fieber abspuhlen könnten?
Notfalls spiele ich auch mit 45 Grad. Das liegt aber nicht an der Routine, sondern am Berufsethos. Ich kann die Leute ja nicht sitzenlassen. Entweder ich bin tot oder ich trete auf.
Also ist auf der Bühne zu stehen auch ein Traum?
Ich kann mir kein traumhafteres Leben vorstellen. Ab und zu fallen mir ja auch spontane Pointen ein. Dann erzähle ich Witze, die ich selber noch nicht kenne. Das ist sehr lustig. Besser geht’s nicht.