Früher, da ging bei einem Begriff wie „MTV unplugged“ ein Raunen durch die Musikwelt. Unvergessen sind diese „stromlosen“ Meisterwerke von Nirvana oder Eric Clapton oder zahlreicher weiterer Musikgrößen wie Bruce Springsteen, Bob Dylan, Bryan Adams oder Alanis Morissette. Auch deutsche Künstler kamen schon zu diesen Ehren. Ob die Fantastischen Vier, die Ärzte oder die Toten Hosen – sie alle durften sich in die Unplugged-Ruhmeshalle eintragen. Doch inzwischen, so hat man das Gefühl, seit MTV nur noch über Pay-TV zu empfangen ist, hat auch die Bedeutung der Unplugged-Sessions nachgelassen. Das mag nichts an der Qualität dieser ändern, doch die meisten zucken heute nur noch mit den Schultern, wenn man „MTV unplugged“ ausspricht.
Dieses Schulterzucken hatte auch am 14. April eine gewisse Berechtigung. An diesem Abend gastierte der aktuellste MTV-unplugged-Sprössling Gentleman in der Ludwigsburger MHPArena. Nicht dass er es nicht verdient hätte, ein eigenes „Unplugged“ zu bekommen. Seine Erfolge in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten geben sicherlich reichlich Anlass dazu. Auch international ist der gebürtige Osnabrücker ein angesehener Musiker mit einer beeindruckenden Vita. Er war einer der großen Vorreiter der Reggae-Bewegung in Deutschland. Und doch wurde man während der zwei Stunden das Gefühl nicht los, dass da einer seine Chance nicht genutzt hat. Doch woran lag es? An den Musikern sicherlich nicht. Diese waren durch die Bank hervorragend und spülten einen allumfassenden Klangteppich aus Reggae-Beats und Dancehall-Vibes auf die Bühne. Die Hammond-Orgeln, die Percussions, die Saxophone oder die Trompete, alles fügte sich souverän und eingespielt zusammen. Auch an der Lust und der Laune des Hauptprotagonisten lag es nicht. Gentleman suchte die Fannähe, hielt – machmal zu lange – Ansprachen ans Publikum, zeigte sich bestens in Form. Dass man vieles von dem, was er von sich gegeben hat, nicht verstand, geschenkt. Den jamaikanischen Dialekt des Englischen muss man nicht verstehen, man versteht die Aussage meist auch so. Auch ein Hit-Mangel war nicht auszumachen. Eine Vielzahl von Gentlemans Songs kennen auch Menschen, die sich nicht in der Reggae-Szene zu Hause fühlen.
Die Vorzeichen für einen großartigen konzertalen Abend waren da. Doch das wurde er nicht. Und hier offenbarte sich die Schwäche, die dieses Unplugged-Konzert zu Tage förderte. Großartige Musiker und ein wunderbarer Performer stehen nicht automatisch für ein großes Erlebnis, wenn das Programm zu viele Aufs und Abs hat. Auffällig oft drosselte Gentleman das Tempo. Kaum hat sich das Publikum mal in Stimmung getanzt, warf die Arme extatisch in die Luft, kam die Bremse in Form von langsamen, ruhigen Songs. Und das nicht nur ein Mal, was man sonst auf jedem Konzert dankend honoriert. Das Publikum war denn auch in ihren Aktionen und Meinungen darüber geteilt. Die einen zeigten der Menschheit ihre Verliebtheit und kuschelten wie auf Knopfdruck mit dem Partner. Die anderen hörten der Musik zu oder unterhielten sich mit dem Nachbarn. Und die dritten nutzten diese ruhigen Momente, um Bier zu holen oder um auf die Toilette zu gehen. Wurde es dann in der nächsten Runde wieder impulsiver, treibender auf der Bühne, erwachte das Publikum wieder und verwandelte die Halle in ein Tollhaus.
Als Fazit bleibt, dass Gentleman vieles richtig gemacht hat an diesem Abend. Er hatte tolle Musiker und Sänger, u.a. mit Ky-Mani Marley den Sohn des legendären Bob Marley. Aber leider machte Gentleman eben nicht alles richtig. Also zuckte man am Ende des Konzerts mit den Schultern, als man gefragt wurde, wie es war. „Joa, ganz nett.“
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Marco Franzese
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