Angst essen Seele auf
Theater im Fluss 2017
Das Theater im Fluss präsentiert in dieser Saison mit »Angst essen Seele auf« ein Melodram von Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1974. Der Leidensweg der ungewöhnlichen Hauptdarsteller ist ein Plädoyer für die Liebe zwischen den Menschen, ganz gleich welchen Alters oder welcher Herkunft sie sind.
Wer kennt ihn nicht, den Kultfilm von Rainer Werner Fassbinder aus den 70er Jahren: »Angst essen Seele auf«, der am 5. März 1974 in München uraufgeführt wurde. Unvergessen ist Brigitte Mira in ihrer Rolle als Emmi, für die sie mit dem Deutschen Filmpreis in Gold für »die beste Hauptdarstellerin des Jahres 1974« ausgezeichnet wurde.
Das Theater im Fluss in Künzelsau, das für seine mutige Stückauswahl und seine eigenständigen Inszenierungen bekannt ist, bringt das bewegende Melodram Fassbinders in diesem Jahr auf die Freilichtbühne im Kocherfreibad – ein spannendes Projekt für die engagierten Amateure aus Künzelsau um ihren Regisseur Franz Bäck.
Skandalbeziehung
In einer Ausländerkneipe, in die sie vor dem Regen geflohen ist, lernt die etwa sechzigjährige Witwe Emmi Kurowski, die als Putzfrau arbeitet, den mindestens zwanzig Jahre jüngeren Marokkaner Ali kennen. Ali tanzt mit Emmi, sie reden miteinander, er begleitet sie nach Hause. Er zieht zu Emmi. Schließlich heiraten sie. Für die anderen ist diese Eheschließung ein Skandal: Emmis erwachsene Kinder schämen sich ihrer Mutter, die Nachbarn tuscheln, der Kolonialwarenhändler weist Emmi aus dem Laden, Emmis Arbeitskollegen verachten sie. Doch schließlich lässt der äußere Druck auf Emmi und Ali nach, und nun werden ihre inneren Probleme deutlicher. Ali besucht wieder seine frühere Geliebte, die Kneipenwirtin Barbara. Als Emmi ihn zurückholen will und die beiden wie zu Beginn ihrer Bekanntschaft miteinander tanzen, bricht Ali zusammen. Der Arzt diagnostiziert ein aufgebrochenes Magengeschwür. Emmi bleibt bei Ali, hält seine Hand.
Gelebte Integration
Eine besondere Note erhält die Inszenierung dadurch, dass die Rollen der Gastarbeiter und auch die Hauptrolle des Ali mit authentischen Flüchtlingen aus dem arabischen Raum besetzt sind. Franz Bäck dazu, auch wenn seine Regiearbeit dadurch nicht gerade einfacher wurde: »Warum wollen wir einen deutschen Laienspieler als arabischen Gastarbeiter verkleiden, wenn im Augenblick Dutzende echte Araber durch Künzelsau laufen?«
In der konkreten Arbeit miteinander wird es von allen Aktiven im Verein als ein Stück gelebter Integration empfunden. Wo kann Integration intensiver und nachhaltiger praktiziert werden als im Verein? Es entsteht gegenseitiges Verständnis, Vertrauen und daraus echte Freundschaften.
Und auch wenn das Stück Fassbinders in den 70er Jahren spielt, so ist es doch gerade heute wieder brandaktuell, ein revolutionäres Stück, das einen nicht bequem sein lassen will, sondern unterhaltend den Spiegel vorhält und die Zuschauer durch den offenen Ausgang ermuntert nachzudenken und eigene Lösungen zu finden.
Das Theater im Fluss ist auch dieses Jahr wieder einen Besuch wert.
Angst essen Seele auf
Mi. 7. Juni - Sa. 8. Juli
Kocherfreibad, Künzelsau