Ian Anderson's Jethro Tull
Ian Anderson ist eine der außergewöhnlichsten Figuren der Rock-Welt. Mit Querflöte, Kranichpose und dem Besten aus 50 Jahren Jethro Tull kommt der Engländer im Juli nach Balingen zum Marktplatz Open Air. Mit MORITZ hat der 68-Jährige vorab über Spukschlösser, das Gärtnern und sein bestes Stück gesprochen.
Ian Anderson ist eine Ikone, ein durch und durch englisches Monument. Er gehört zu den britannischen Inseln wie die Queen, der Afternoon Tea und das schlechte Wetter. Mit Jethro Tull perfektionierte der heute 68-Jährige nicht nur die skurrile Flamingo-Position und das Querflötenspiel, sondern auch den kauzigen, folkloristischen und psychedelischen Progressive Rock, der die späten 60er und 70er dominierte. Verschroben, wie Anderson nun mal ist, hat er es als einziger Querflötespieler zum Rockstar gebracht; all das ist lange her, das Kapitel Jethro Tull wurde in der ursprünglichen Form 2014 endgültig beendet. Ian Anderson jedoch zieht immer noch musizierend, singend und Geschichten erzählend durch die Lande, ein moderner und urenglischer Minnesänger, der nicht mehr dem Klischee des englischen Gentlemans entsprechen könnte. Trocken sein Humor, gepflegt seine Ausdrucksweise, sonor brummend seine Stimme. Und unerreicht seine Anekdoten.
Mister Anderson, sie leben in einem alten englischen Landhaus aus dem 19. Jahrhundert. Spukt es darin?
Nicht, dass ich übermäßig von diesen übernatürlichen Dingen überzeugt bin, doch ich erlebte hier schon zahlreiche unerklärliche Ereignisse. Keine, die mir Angst einflößten, mich aber doch beunruhigten. In unserem neuen Haus gibt es eine Stelle im Keller, um die die Hunde einen großen Bogen machen. Man sagt, dass hier mal der Freund eines hochrangigen Bewohners auf der Suche nach mehr Alkohol die Kellertreppe heruntergestürzt und dabei gestorben ist. Vielleicht liegt es ja daran.
Ist so etwas inspirierend für Sie?
Nein, nicht wirklich. Das ist zu privat, zu nah an mir. Da könnte ich ja gleich ein Lied über meinen Penis schreiben. Apropos: Kürzlich gönnte ich mir den Spaß, die Länge meines Penis zu messen. Nicht ohne Genugtuung stellte ich fest, dass er noch genau so groß ist wie er war, als ich 16 war.
Das ist erfreulich. Sie lebten schon an vielen Orten, haben bis heute auch ein Haus in der Schweiz. An welchem Ort sind Sie am kreativsten?
Oh, ich weiß nicht. Im Holiday Inn? Zumindest entstand früher sehr viel meiner Musik in Hotels. In den letzten Jahren habe ich aber die Tendenz festgestellt, dass ich mich bevorzugt in eine stille Ecke meines Hauses zurückziehe, wo mich die Hausmädchen, Gärtner und all die anderen Menschen nicht finden. Je nach Stimmung schreibe ich dann ein paar Stunden an neuer Musik.
Und in der Zwischenzeit gärtnern Sie?
In der Zwischenzeit sehe, ich den Gärtnern beim Gärtnern zu. Alles, was ich im Garten anrühre, sind meine Chilipflanzen, die ich jedes Jahr gegen Februar oder März aussehe und sie dann pflege. Den einen oder anderen Baum sowie eine Handvoll Büsche habe ich auch gepflanzt, aber ich bin nicht der Typ für einen kunstfertigen, schmuckvollen Garten.
In Balingen spielen Sie Stücke aus 50 Jahren Jethro Tull: »Locomotive Breath«, »Thick As A Brick«. Üben Sie diese Stücke überhaupt noch?
Regelmäßig, teilweise sogar richtig exzessiv. Ich spiele generell sehr viel Musik, bekannte und unbekannte, um den Erscheinungen des Älterwerdens vorzubeugen. Musiker haben mental und körperlich eh einen Vorteil gegenüber anderen Menschen, weil sie einfach gesund und in guter Verfassung bleiben müssen, wenn sie weiter Musik machen wollen. Wir müssen auf Zack bleiben, was uns im Alter davor schützt, senil zu werden. Das gilt natürlich nur, wenn du keine Amy Winehouse oder kein Jim Morrison bist.
Also kein Sex, Drugs & Rock‘n‘Roll für Ian Anderson?
Ein wenig reizt mich das schon. Aber dann denke ich an diese wirklich alte und gute Flasche Single Malt Whisky in meinem Keller und freue mich darauf, sie in einem besonderen Moment zu genießen. Wenn Drogen so gut sind, wie die Menschen behaupten, werde ich einige davon vielleicht mal kurz vor meinem Lebensende ausprobieren.
Mögen Sie es immer noch, auf Tournee zu sein?
Es ist immer eine Frage des Repertoires. Für meine Konzerte im Sommer werden natürlich sehr, sehr viele alte Stücke im Programm sein, die die Zuschauer natürlich kennen werden. Ich versuche daher immer, eine Balance zu erreichen, die für alle interessant ist: für die treuen Fans, für die Interessierten und natürlich auch für mich. Gelingt mir das, habe ich noch große Freude daran. Björn Springorum
Jethro Tull‘s Ian Anderson Fr. 29. Juli, 20 Uhr, Marktplatz Balingen,http://www.koko.de