Alfons
Er ist der Deutschen liebster Franzose: Alfons, der Reporter mit dem Puschelmikrofon. Der charmante Kulturimport der Grande Nation lädt zu seinem Bühnenprogramm »Wiedersehen macht Freunde«. Vorab sprach MORITZ-Mitarbeiterin Helen Gerstner mit ihm über das Leben in Deutschland, sein neues Programm und die Terroranschläge in seiner Heimat Paris.
Dein alter Ego Alfons, der Reporter mit dem Puschelmikrofon, ist dafür bekannt, dass er an Passanten herantritt und ihnen absurde Fragen stellt. Daher drehen wir den Spieß jetzt mal um und hoffen auf eine Antwort von dir: Warum laufen Nasen, während Füße riechen?
(lacht) Das ist glaube ich ein grundsätzlich deutsches Problem. In Frankreich riechen keine Füße. Wir haben das Parfüm erfunden, in Frankreich riecht alles nach Chanel und Dior. Also das müsst ihr zwischen euch Deutschen klären, bei uns gibt es nur erotische Füße, die nicht riechen, sondern nach Parfüm duften.
Ursprünglich bist Du nach Deutschland gekommen, um hier Deinen Militärdienst abzuleisten. Aus den 16 Monaten sind mittlerweile 24 Jahre geworden. Warum bist Du geblieben?
Meine Kumpel aus Frankreich waren entsetzt. Sie konnten nicht glauben, dass ich freiwillig in Deutschland bleibe. Ich habe dann auch gesagt, dass ich nur so lange bleibe, bis ich die Deutschen verstanden habe. 24 Jahre später bin ich immer noch hier (lacht). Es war eine kompliziertere Aufgabe als ich dachte, aber es macht mir sehr viel Spaß, ich fühle mich sehr wohl in Deutschland. Gerade im Moment, nach dem, was in Paris passiert ist. Ich habe sehr viele Posts auf Facebook, E-Mails und Einträge in meinem Gästebesuch von Leuten bekommen, die zu mir gekommen sind und mir gesagt haben »Wir sind bei euch!«. Das ist das erste Mal, dass ich die deutsch-französische Freundschaft so nah erlebe. Wir bekriegen uns nicht gegenseitig – und das ist das Wichtigste – aber ansonsten war die Freundschaft nicht so eng. Wenn ich den Umgang zwischen Merkel und Hollande sehe, könnte ich mir das schon schöner vorstellen. Aber jetzt ist der Zusammenhalt schön. Es kam leider durch tragische Ereignisse dazu, aber jetzt erlebe ich die deutsch-französische Freundschaft in einer Weise, wie ich sie auch nach Charlie Hebdo nicht erlebt habe. Das ist sehr berührend für mich.
Du hast die Terroranschläge in Paris gerade selbst angesprochen. Bei dem Anschlag auf die Redaktion von »Charlie Hebdo« im Januar 2015 bist Du sofort nach Paris geflogen, um den Leuten beizustehen. Wie hast Du die aktuellen Terroranschläge in Paris wahrgenommen?
Ich bin dieses Mal in Deutschland geblieben, weil ich eine Fernseh- und Radiosendung hatte. Am Tag der Anschläge habe ich die Fernsehsendung gedreht und dabei nichts von den Vorfällen mitbekommen, weil ich auf Sendung war. Am nächsten Tag hatte ich eine Radiosendung, die live übertragen wurde. Der Sender hat mich dann gefragt, ob ich die Sendung trotzdem machen möchte oder nicht. Es gab eigentlich keine richtige Entscheidung. Wenn man sie produziert, sagen einige, dass man so etwas an einem solchen Tag nicht macht. Das kann ich verstehen. Aber wenn man die Sendung nicht macht, heißt das, dass wir uns die Freiheit verbieten lassen. Genau das wollen die Terroristen ja. Es war keine Attacke gegen Frankreich, sondern gegen unsere Art zu leben. Das darf nicht sein, deshalb haben wir die Sendung gemacht. Ich habe sie aber natürlich komplett umgekrempelt. Die Hörer und die Leute im Saal waren sehr dankbar, dass wir das gemacht haben. Es war sehr emotional, der Grad, auf dem wir uns bewegt haben, war sehr schmal. Aber es ist uns gelungen, darüber bin ich sehr froh.
Du hältst in einer solch schweren Zeit Fröhlichkeit und Humor also auch für wichtig?
Natürlich. Wir müssen weiterlachen, sonst haben sie gewonnen.
Der französische Präsident Hollande sprach von einem «Kriegsakt« und meinte, dass Frankreich in Abstimmung mit seinen Verbündeten gnadenlos darauf reagieren wird. Wie beurteilt Du die Reaktion des Präsidenten auf den Terroranschlag? Hat er alles richtig gemacht, oder gibt es Kritik?
Ein französischer Präsident macht nie alles richtig. Dafür haben wir ihn auch gewählt, damit wir auch was zum Lachen haben. Er hat natürlich nicht alles richtig gemacht, er ist komplett überfordert mit der Situation. Aber das ist halt der Präsident.
Kommen wir wieder zurück auf Dein Leben in Deutschland. Du lebst nun seit 24 Jahre hier. Inwiefern haben die Deutschen mittlerweile auf Dich abgefärbt?
Ich bin sehr eingedeutscht. Ich bin pünktlich, ich habe eine ADAC Mitgliedschaft und ich fange sogar an, es zu lieben, Formulare auszufüllen.
Es gab doch aber auch bestimmt Dinge, bei denen Du ganz lange gebraucht hast, um dich daran zu gewöhnen?
Wenn die Fußgängerampel zum Beispiel rot ist, man sieht aber links einen Kilometer und nach rechts 800 Meter weit kein Auto und es gibt wirklich keine Gefahr, es kann wirklich nicht sein, dass etwas kommt und es regnet, ich habe keinen Regenschirm und werde immer nasser und kriege eine Grippe, da macht es mich immer noch komplett wahnsinnig, zu warten. Und manchmal – das bleibt aber unter uns – gehe ich dann doch drüber. Ich bin schon halb kriminell. Also da ewig zu warten, das kann ich genetisch einfach nicht. Das ist für mich zu schwierig.
Aber eigentlich fühlst du dich doch recht wohl in Deutschland?
Ja, sehr. Und das meine ich auch sehr ernst. Es ist meine Entscheidung, in Deutschland zu leben. Deutschland hat mich akzeptiert, dafür bin ich sehr dankbar. Ich finde Deutschland ist sehr reif. Es ist nicht perfekt, das ist klar, aber ich glaube, ihr wisst selber nicht, wie toll eure Gesellschaft, die ihr euch selber gebaut habt, ist. Ich bin sehr dankbar, hier leben zu dürfen und das, was ihr beziehungsweise mittlerweile wir aufgebaut haben, genießen zu dürfen.
Warum stellst Du dann keinen Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft?
Ich habe mal einen Brief bekommen, in dem ich gefragt wurde, ob ich das nicht machen möchte. Das konnte ich nicht wirklich beantworten, deshalb ist der Brief erstmal liegen geblieben. Die Geschichte geht sogar ein bisschen weiter. Wenn man in Frankreich über die Deutschen böse reden will, gibt es den Begriff »Les Bosch«, wie die Marke Bosch, es stammt zwar nicht von der Marke, aber man sagt »Les Bosch«. Es kommt vom Krieg und ist ein böser Begriff, den ich eigentlich nie benutzen würden. Vor eineinhalb Jahren bekam ich dann den Brief vom Hamburger Bürgermeister und wurde eben gefragt, ob ich nicht die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen möchte. Dieser Brief hat mich ehrlich gesagt ziemlich fertig gemacht, weil ich mir diese Frage nie gestellt hatte. Da habe ich mich dann gefragt, ob ich das wirklich möchte. Es bedeutet ja, dass ich die französische Staatsbürgerschaft abgeben muss. Ich wusste einfach nicht, ob ich das machen möchte. Daher ist der Brief einfach in meiner Küche geblieben und ich habe ihn mir jeden Tag angeguckt und mir die Frage gestellt. Bis zu dem Tag, an dem ich nach Hause gekommen bin und meine Küche gebrannt hat. Die Feuerwehr war da und alles stand in Flammen. Der Brief war dann natürlich auch weg. Damit war die Geschichte für mich zu Ende. Das »Lustige« daran ist, dass das Feuer von einem Kühlschrank der Marke Bosch ausgelöst wurde. Das habe ich dann als Zeichen gesehen. Jetzt habe ich eine neue Küche mit einem Kühlschrank der Marke Miele (lacht).
In Deutschland bist Du bekannt geworden durch die Figur des Reporters Alfons, der mit gelfeuchten Haaren und Trainingsjacke bekleidet Umfragen auf der Straße durchführt, natürlich stets mit starkem französischem Akzent. Wie ist diese Figur entstanden?
Per Zufall. Ich wollte was machen und war auf der Suche nach Inspiration. Dann habe ich die Jacke in einem Kostümfundus zufällig gefunden. Die Jacke hat mich sehr angesprochen, deswegen dachte ich, dass ich die schon mal nehme. Dann haben wir mal gedreht, ohne genau zu wissen, was wir machen. Wir hatten keinen Plan. Der Tonmann konnte es aber wirklich nicht abhaben, dass ich kein Konzept hatte und gern spontan Dinge mache. Er hat dann so lange genervt, bis ich ihm dann irgendwann einen Schein gegeben habe, damit er einen Kaffee trinken geht und dort auf uns wartet, bis wir fertig sind. Er hatte den Puschel in der Hand, also das Mikrofon, das normalweise nicht zu sehen ist, das habe ich dann genommen. Dazu hat es dann auch noch geregnet, das heißt, meine vorbereiteten Zettel waren auf einmal komplett unlesbar und ich hatte nasse Haare. Abends habe ich mir das Material dann angeguckt. Die Jacke, der Puschel in der Hand, die nassen Haare und die Zettel, die man nicht mehr lesen konnte, haben mir gefallen. So ist die Figur dann tatsächlich entstanden.
Das mit mit der orangefarbenen Trainingsjacke war dann »Liebe auf den ersten Blick«?
Genau. Und im Nachhinein habe ich dann erfahren, dass sie aus der DDR kommt. Es ist ein Einzelstück, ich habe nach einer zweiten gesucht, aber keine gefunden. Mittlerweile habe ich eine zweite machen lassen. Ich habe zu viel Angst, sie zu verlieren. Alfons ohne Jacke geht nicht. Daher habe ich sie tatsächlich nachmachen lassen. Ich trete aber so gut wie immer mit der Originalen auf und die andere habe ich als Backup, falls etwas passiert.
Ist es nicht eigentlich ein wenig paradox, dass du dich als Alfons verkleiden und als unbeholfener französischer Reporter verstellen musst, um den Leuten auf der Straße authentische Meinungen zu entlocken?
Gut erkannt, so ist es.
Liegt das an den Deutschen, oder wäre das bei den Franzosen auch so?
Das kann ich nicht sagen, ich habe das sehr intuitiv gemacht und habe gemerkt, dass sich die Leute dadurch öffnen. Sie erzählen mir auch ganz viele Dinge, die die Menschen im Fernsehen nicht zu sehen bekommen, weil ich das nicht senden möchte, weil ich die Leute teilweise auch ein wenig schützen muss, wenn sie private Dinge erzählen. Die Leute öffnen sich vor Alfons. Ich nenne das die Magie des Puschelmikrofons. Dafür hab ich keine bessere Erklärung und will auch keine. Wenn ich eine habe, mache ich es vielleicht kaputt.
Gibt es Kriterien, nach denen ihr die Leute aussucht ,die befragt werden?
Nein, aber ich spreche mit ganz, ganz vielen Leuten. Um die drei Minuten Sendezeit zu produzieren, drehen wir zehn Stunden. Wir haben gemerkt, dass wir für eine gute Umfrage diese Drehzeit brauchen.
Gibt es jemand Bestimmten, den du unbedingt mal etwas fragen willst?
Ich frage lieber anonyme Passanten als irgendeinen Promi. Ich liebe es, aus unseren Nachbarn Helden zu machen. Promis langweilen mich eher. Ich möchte lieber die Geschichte der Oma von nebenan bringen. Denn jeder hat eine schöne Geschichte.
Zu Deinem Programm. Du bist mit »Wiedersehen macht Freunde« auf Tour. Kannst Du kurz zusammenfassen, um was es in Deinem Programm geht?
Es ist eine sehr rührende Geschichte, die sehr passend zum Jahresende ist. Bei meinen Programmen lacht man viel, das ist mir sehr wichtig. Aber übrigens: Ich interviewe bei den Live-Programmen niemanden. Es braucht keiner Angst haben, sich in die erste Reihe zu setzen, weil ich dann mit meinem Puschelmikrofon ankommen könnte. Das mache ich nie. Da kann ich alle Leute, die das jetzt lesen, beruhigen. Ihr kriegt einen schönen Abend. Ich bringe euch zum Lachen, ohne jemanden zu interviewen. Mein Ziel ist es auch, dass ich die Zuschauer berühre, dass sie was mit nach Hause nehmen. Mit dem Programm »Wiedersehen macht Freunde« ist mir das glaube ich gut gelungen. Ich erzähle eine wahre Gesichte über drei Kinder in Paris. Nach den Anschlägen in Paris habe ich das Programm nun teilweise umgeschrieben. Es ist eine Hommage an Paris und eine Hommage an die Freundschaft. Es ist die Geschichte von drei kleinen Kindern – eins davon bin ich – die die besten Freunde sind. Irgendwann müssen sie sich mit 18 Jahren trennen, weil das Leben einfach so ist. Dann haben wir uns 20 Jahre nicht gesehen und komplett aus den Augen verloren. Aber wir hatten einen Termin, wir hatten ausgemacht, dass wir uns in 20 Jahren wieder treffen und dann schauen, wie unser Leben verlaufen sind. Dieses Treffen war vor nicht all zu langer Zeit und davon erzähle ich. Es gibt viel zu lachen, aber es ist auch eine rührende Geschichte. Und jetzt, mit den Pariser Ereignissen, hat es natürlich noch einen brisanteren Aspekt, weil es viel um Paris und das Leben in Paris geht. Es geht im Wesentlichen um das, was die Terroristen attackieren wollten, um unsere Art zu leben und auf ganz viele verschiedene kleine Art und Weisen, das Leben zu genießen. Mit ist es wirklich wichtig, dass man bei meinem Programm lachen kann, aber ich bin nicht der Typ, der Pointe auf Pointe bringt und man nach Hause geht und zwar viel gelacht hat, aber nichts hängen geblieben ist. Ich finde es wichtig, dass die Leute etwas mit nach Hause nehmen und darüber nachdenken. Wenn jemand sagt »wow, das hat mich berührt« ist das das beste Kompliment, das ich kriegen kann.