Foto: Nikolaus Gruenwald
David Pricking
Große Zauberei findet nur auf den riesigen Bühnen von Las Vegas statt, teure Produktionen mit unglaublichem Aufwand à la David Copperfield. So oder so ähnlich stellen sich das auf jeden Fall viele vor. Dass es auch aufregende Zauberei jenseits der großen Bühnen gibt, beweist ein anderer Zauberer namens David mit Spielkarten und Münzen. David Pricking aus Tübingen war der Beste bei der Zauberweltmeisterschaft in Rimini in der Kategorie Close-Up.
Sein Namensvetter David Copperfield ist nicht ganz unschuldig daran, dass David Pricking in den 90ern zur Zauberei fand. Der damals 17-Jährige kam hinter einen Trick des berühmten Amerikaners, übte fleißig und führte ihn schließlich bei einem Schulfest vor – stilecht mit der Zaubermusik von Copperfield. »Ich hatte die Musik von einer VHS-Kassette mitgeschnitten und da war natürlich auch der Applaus mit dabei«, erzählt der Mittdreißiger schmunzelnd. Und so applaudierten ihm bei seinem ersten Zaubertrick gleich 10.000 Menschen. Das war die Initialzündung. Nach kurzer Zeit schloss er sich dem Stuttgarter Ortszirkel des Magischen Zirkels von Deutschland an. Dieser ist bekannt dafür, großartige Zauberkünstler hervorzubringen. Die Reihe derer, die unter dem Vorsitzenden Eberhard Riese zu großem Ruhm gekommen sind, ist lang. »Jeder, der in den vergangenen Jahren etwas gewonnen hat, gehört zum Stuttgarter Zirkel«, erzählt Pricking.
Ein Schicksalsschlag holte Pricking von der Bühne
Und auch beim Tübinger folgte ein Auftritt auf den nächsten, in den Magier-Kreisen erarbeitete er sich schnell einen Namen, bis ein Schicksalsschlag ihn abrupt von der Bühne holte. Der Diagnose Krebs folgte eine harte Zeit für den aufstrebenden Magier. Ein ganzes Jahr verbrachte er im Krankenhaus. Weitere zwölf Monate vergingen, bis Pricking ein Comeback auf der Bühne wagte. Doch mit Krücken auf der Bühne zu zaubern, hat nicht funktioniert. »Ich nahm damals einen Barhocker auf die Bühne«, erinnert sich der Zauberkünstler. Mit wenig Erfolg gekrönt. Pricking musste umdenken und entschied sich, künftig nicht mehr auf der großen Bühne, sondern am Tisch, ganz nah an den verblüfften Zuschauern zu zaubern. Er fand in der Close-up-Zauberei ein neues Zuhause. Rückblickend betrachtet sicherlich nicht die schlechteste Entscheidung, die der studierte Mathematiker in seinem Leben getroffen hat. Denn seit Juli hat er es schwarz auf weiß: David Pricking ist aktuell der beste Close-up-Zauberer der Welt. Im italienischen Rimini gewann er mit seinem Kunststück »Time« die Weltmeisterschaft. Weltmeister darf er sich trotzdem nicht nennen...
Weltbester, aber kein Weltmeister
»Bei der WM mitzumachen und sich mit den besten Zauberern zu messen, ist ein krasses Gefühl«, sagt Pricking. Mit »Time« ließ er sie alle hinter sich. Der besondere Clou am Kunststück: Die Hälfte der Zeit zaubert der Magier auf einer Glasplatte. Das hat vor ihm noch keiner gemacht. »Bei der Weltmeisterschaft geht es auch darum, Neues zu zeigen und als Erster etwas zu machen«, erklärt er. »Ich denke, die Glasplatte hat mir den Sieg gebracht. Gleichzeitig hat sie mich aber auch den Titel gekostet.« Pricking zeigte beim entscheidenden Part Unsicherheiten und zitterte. »Und den Titel gibt es nicht für eine Nummer, die nicht optimal gelaufen ist«, sagt er. Er verfehlte die nötigen 80 Punkte, um sich »Weltmeister« nennen zu dürfen. Stattdessen ist er nur »Weltbester«. Aber was heißt schon »nur«? Schließlich hat er die favorisierten Süd-Koreaner hinter sich gelassen. Und als »Weltbester« wartet jetzt die Welt auf den Zauberkünstler. Sie will »Time« sehen – der Applaus ist Pricking mit dieser Nummer gewiss, und diesmal kommt er nicht vom Band. Christoph Schwärzler