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Ingo Appelt
Es könnte schlechter laufen für Ingo Appelt. Jüngst gewann er den Comedypreis für die beste Show und machte seiner Freundin während der Verleihung auch noch einen Heiratsantrag. »Besser ... ist besser«, der Titel seines Programms, scheint bei ihm Programm zu sein. Doch auch der Comedian macht sich Gedanken über ernste Themen. Im Gespräch mit MORITZ-Redakteur Alexander Steinle stellt er klar, was er von Pegida hält, verrät, was ihm Sorgen bereitet und sagt, warum Männer schnell als Sexisten gelten.
Zunächst an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch zur Verlobung. War der Antrag beim Comedypreis geplant?
Das war spontan. Wobei, was heißt »spontan«... Es kam einfach alles zusammen. Man kennt mich als Frauenversteher und bei Frauen ist es in der Regel so, dass sie glücklich sind, wenn sie einen Antrag bekommen. Das zeigte sich dann auch nach der Preisverleihung. Alle Frauen kamen zu mir mit »Oh, Ingo, wie toll war das denn?« und alle Männer so »Oh, Mann, wie billig ist das denn?« (lacht) Als ich den Preis bekommen habe, stand ich auf der Bühne, habe mich bei meinem Manager bedankt und dann zu Sonja rübergeschaut. In dem Moment ist mir eingefallen, dass wir einige Tage zuvor gesehen haben, wie Justin Timberlake seiner Frau (Jessica Biel, Anm. d. Red.) bei einer Preisverleihung eine Liebeserklärung gemacht hat. Und Sonja fand das großartig. Sie hat den Antrag sozusagen mehr oder weniger bestellt. (lacht)
Auf der After-Show-Party mussten Sie sich dann auch keine Sprüche wie »Spinnst du?« anhören?
Nein, dafür kenne ich meine Sonja viel zu gut, sie liebt mich abgöttisch. Sie kennt das alles, solche Galas sind nichts Neues für sie, denn wir beide kommen aus der Comedy-Branche und sie kennt natürlich auch fast alle, die an diesem Abend da waren. Der Comedypreis ist für uns immer wie ein Familientreffen.
Neben dem Heiratsantrag hatten Sie einen weiteren Grund zur Freude, ihre Folge von »Mein bestes Jahr« wurde als beste Comedy-Show ausgezeichnet. Darin blicken Sie auf 1999 zurück.
Ich wurde auch von den Machern der Show gefragt, was mein bestes Jahr gewesen ist und da habe ich mich für 1999 entschieden. Es war die Zeit, als es bei mir richtig gut abging. Ich bin in Lacklederhosen rumgelaufen, es war alles lustig, bunt und sexy. (lacht) Es war eine unheimlich tolle Zeit.
Wenn Sie auf das Heute blicken, wo sehen Sie sich?
Jetzt kann ich sagen, dass 2015 das beste Jahr war. Heiratsantrag, Comedy-Preis... Ich muss ehrlich sagen, dass es momentan karrieretechnisch wirklich gut läuft. Ich habe nicht viel zu meckern.
Was war für Sie das Schlimmste an 2015?
Naja, schon die allgemeine Stimmung im Land rund um das Flüchtlingsdesaster. Es wird einem schlecht, wenn man sieht, wie diese Rechten mit einer Selbstverständlichkeit ihre rechtsnationale Parolen grölen. Auf der einen Seite hat man diese Willkommenskultur, bei der ich auch meine Zweifel habe, ob das alles so ernst gemeint ist. Und dann hat man auf der anderen Seite 20.000 Pegida-Idioten. Das ist frustrierend. Ich war auch in Köln, als die OB-Kandidatin (Henriette Reker, Anm. d. Red.) niedergestochen wurde. Das macht mir wirklich große Sorgen.
Wie ist die Stimmung bei dem Thema unter Ihren Kollegen? Denn eigentlich sind sie für gute Laune zuständig.
Beim Comedypreis war es schon ziemlich eindeutig, was wir alle davon halten. Eine Carolin Kebekus ist zum Beispiel sehr klar positioniert, hat auch das schöne Lied »Wie blöd du bist« zu dem Thema gemacht. Auch andere Kollegen haben Beiträge dazu geliefert. In der Comedy-Branche haben wir alles dabei: Bekloppte, Juden, Polen, Moslems, eine Iranerin
und und und. Die Comedywelt ist eine so bunte Welt. Das ist für mich ein Vorbild für ganz Deutschland und nicht diese besorgten Bürger, die »Wir sind das Volk« skandieren. Sollen sie doch das Volk sein, denn wir sind die Völker. Überhaupt diese Angst vor dem Fremden ist schrecklich. Und die Fresse wird dort am meisten aufgerissen, wo es am wenigsten Ausländer gibt. Das ist schlimm.
Humor ist ein gutes Mittel und in ihrem aktuellen Programm werden sie sogar erzieherisch. »Besser … ist besser« ist laut ihrer eigenen Aussage eine Art Erziehungsschule für den Mann. Was ist das Problem mit Männern?
Grundsätzlich sind sie noch nicht so angepasst und irren oft in der Weltgeschichte herum. Was wir auch an der aktuellen Flüchtlingsdebatte sehen: Es sind vor allem Männer, die dummes Zeug reden. Es sind auch die Männer, vor denen man Angst hat. Wenn Frauen und Kinder zu uns kommen, da sagt kaum einer was. Wenn man mit Männern in der Breite redet, hat man oft das Gefühl, dass sie alle frauen-, schwulen- und fremdenfeindlich sind. Männer sind kriegerisch, sie müssen immer kämpfen und alles verteidigen. Das sitzt bei Männern ganz tief drin. Das sehe ich schon an meinen beiden Söhnen. Ich selbst bin ein Pazifist, hatte noch nie eine Waffe in der Hand. Aber bei meinen Jungs können es schon mal Ballerspiele sein und das neue Schwert von Star Wars. Die machen nichts anderes, als sich den ganzen Tag zu bekämpfen. Ich frage mich auch: »Was ist denn mit euch los?« Aber es sind halt Männer und Männer spielen gerne.
Das Image des Mannes ist ja nicht gerade verheißungsvoll. Ihr Image hat Ihnen auch nicht nur Freunde eingebracht. Für viele waren sie auch »feindlich«, der immer unter die Gürtellinie geht.
Das mache ich ja immer noch. Es geht dabei auch immer darum, von welcher Seite man das sieht. Wenn man als Mann das Thema Sex aufgreift, ist man automatisch ein Sexist. Wenn Frauen Peitschen beim Sex geil finden, ist es sexuelle Befreiung. Da fühlte ich mich eine Zeit lang falsch behandelt. Ich war nie chauvinistisch, ich habe immer nur gesagt »Ich bin untervögelt. Wie geht es euch« Das war das Thema, aber es wurde mir immer so ausgelegt, als sei ich frauen-, kinder- und schwulenfeindlich. Wenn ein Mann »Ficken« sagt, ist er ein Sexist. Wenn eine Frau »Ficken« sagt, ist sie eine Befreite. Wir Männer können uns gar nichts mehr erlauben.
Ein Image entsteht in der Öffentlichkeit und man hat nicht immer Einfluss darauf. Wie gehen Sie damit um, wenn Sachen über Sie verbreitet werden?
Im Grunde kann man da nichts machen. Vor allem nicht in den Zeiten des Internets. Ich bin von den sozialen Medien, die für mich nur asoziale Medien sind, nur noch genervt. Jeder, der gerade mal drei Sätze geradeaus bringt, meint, heute seine dummen Beleidigungen zu posten. Um die Sprüche, die man heute bei Pegida liest, überhaupt zu sehen, musste man früher den »Stürmer«, eine rechtsradikale Zeitung, kaufen. So ist es überall. Was ich schon über mich lesen musste. Alle verstecken sich hinter der Anonymität des Internets. Würde dieselbe Person dann vor einem stehen, würde sie wahrscheinlich nach einem Autogramm fragen. Das zeigt mir, wie die Menschheit wirklich ist. Nach außen hin gibt man sich gerne kultiviert und sozial engagiert, man ist gebildet und liest Goethe. Wenn man aber ein bisschen unter der Zivilisation schaut, dann brodelt es. Es gibt Neid und Missgunst, Hass und Verachtung. Das ist schon krass.
Ist das auch ein Grund, warum sie gerne auf der Bühne stehen? Dort sieht man die Leute.
Das ist auf jeden Fall eine andere Form der Kommunikation. Im Internet sehe ich keinen. Paul Panzer hat es beim Comedypreis wunderbar gesagt: »Einen schönen Abend kann man nicht downloaden.« Es kann einfach nicht sein, dass dieses Leben im Internet besser sein soll als das wahre. Es hat etwas Lebendiges, wenn man mit 500 anderen Leuten etwas erlebt, wenn man zusammen lacht. Es ist wie ein Schwarm und hat eine eigene Dynamik. Es ist einfach ein geiles Erlebnis.
Ingo Appelt Sa. 14. November, 20 Uhr, Sparkassen Carré, Tübingen
www.sbegroup.info