Nicolai Köppel
Der Wahlheilbronner Nicolai Köppel tourt seit Jahren über die Poetry Slam-Bühnen deutschlands. Am 5. Mai macht er Halt beim Champions Slam in seiner Heimatstadt. Am 27. Mai erscheint seine neue CD "Kanlltüten" - Grund genug für ein Interview.
MORITZ: Deine CD erscheint am 27. Mai und hat den schönen Titel „Knalltüten“. Bist du selbst eine Knalltüte? Was erwartet den Hörer denn bei "Knalltüten"?
Nicolai Köppel: Mein alter Physiklehrer sagte so schön: "Jeder Mensch hat einen Knall. Wer meint, dass er keinen hat, hat zwei." Und wenn ich selber über Knalltüten schreibe, gilt die Redewendung "It takes one to know one", also auf Deutsch ungefähr der Schulhofspruch "Wer das sagt, der ist es selber.""Knalltüten" auf CD sind zwölf lustige Lieder, aber nicht so, wie ich sie live spiele, sondern mit quasi vollem Orchester. Ich hab mir den Spaß erlaubt, jedes der Lieder für die erste Platte passend einzukleiden. So ist neben niedlich rumpelnden und lieblich säuselnden Nummern auch ein Punksong, ein Reggae, ein Barbershop-Quartett und sogar ein bisschen Jazz auf der Platte gelandet. Die "Ein Mann, eine Gitarre"-Formel ist ja kein Ehrenkodex, sondern ein Stück Unabhängigkeit, die ich mir so zurechtinterpretiere, wie es mir passt.
Wie lange hast du an dieser CD gearbeitet?
Von der ersten Idee, deutsche Lieder zu schreiben bis zum presswerktauglichen Mix sind etwa dreieinhalb Jahre vergangen. Wenn man gar nichts anderes macht, geht es sicher schneller. Man tut sich auch leichter, wenn man einfach nur zwölf Lieder schreibt und nicht fünfzig, aus denen man dann wieder mühsam zwölf auswählen muss. Aber hinterher ist jeder schlauer.
Auch wenn es auf deiner CD musikalisch zugeht, sind bei Poetry Slams Gitarren und weitere Hilfsmittel ja eigentlich verboten, fühlst du dich so ganz ohne ein bisschen nackt?
Unter der Dusche ist man ja auch nackt - was sein muss, muss sein. Als Musiker bei Slams ist man außer Konkurrenz, kann aber auch nicht gewinnen, muss aber trotzdem alles auswendig können. Nacktsein kann also auch Vorteile haben.
Hast du dich schon immer für Literatur und Theater interessiert?
Und wie kamst du dazu, Poetry Slammer zu werden?Ja, habe ich. 2006 bin ich als frisch diplomierter Drehbuchfuzzi in die Lesebühnenszene gerutscht. Seitdem geht's so steil bergauf, dass ich noch immer nicht ganz oben bin.
Siehst du Poetry Slam eher als Beruf oder mehr als ein Hobby an?
Poetry Slam ist vielfältig - wer da stilistisch seine eigene Nische findet, hat vielleicht auch ein Sprungbrett woandershin. Die Hobby-Beruf-Frage ist doch die nach dem Geld. Kann man davon leben? Nicht wirklich. Kann man dafür leben? Das nun wieder mit Gewinn. Zum Vergleich: nicht aus jedem BWL-Studenten wird ein Vorstandsmitglied.
Außerdem schreibst du Bücher und Drehbücher. Woher holst du dir deine Inspiration?
Im Zabergäu hinten links ist das kleine Ideenfachgeschäft von Beate Muse, da fahr ich zweimal im Jahr hin, tausche die ganzen Einfälle, die ich selbst nicht verwende, gegen einen Fünf-Liter-Kanister pure Inspiration und versuche dann, mir das Zeug gut einzuteilen.
Schreibst du lieber oder stehst du lieber auf der Bühne?
Da ich nicht menschenscheu bin, ist das eine ohne das andere schlecht denkbar oder sogar sinnlos. Macht aber nichts, ich habe keine Erfahrung mit Hobbys und daher Zeit für beides.
Hat dir deine Wortgewandtheit geholfen, deine Frau zu erobern?
Moment, ich frag mal ... sie sagt: ja. Das überrascht mich jetzt ein bisschen - ich dachte ... sie sagt, es ist egal, was ich dachte. Okay, nächste Frage.
Fluch oder Segen: Wie wichtig sind soziale Netzwerke wie Facebook und YouTube für dich um bekannter zu werden?
Der theoretischen Chance auf den großen Hype sollte man nicht hinterherhecheln. Wirklich nett ist die Rückmeldung auf gelungene Sachen auch von völlig Unbekannten. Aber ich zähle keine likes und merke mir da wenig. Das ist wie bei jedem Griff in die Tüte die Gummibärchen zählen, die noch da sind: Zeitverschwendung, mit der man sich selbst neurotisch macht. Aber ich hab auch ein neues Video, das alle Welt sehen soll. Hab ich wirklich! Mir gefällt das!
Du bist in Berlin geboren, lebst jetzt aber in Schwaben – schwimmst damit quasi gegen den Strom – was bewegt dich hier zu bleiben, obwohl alle anderen flüchten?
Stimmt, ich hätte einfach in Berlin bleiben können, als meine Eltern wegzogen ... aber dann hätte ich mich dort selbst um meinen Kitaplatz kümmern müssen. Da bin ich doch lieber mit in den Süden. Inzwischen ist fast alles, was ich liebe und täglich haben will, genau da, wo ich lebe. Das gilt nach vierzig Jahren wohl auch für die meisten Geburtsschwaben in Berlin. Ich wünsch es ihnen jedenfalls.