Kaya Yanar
Am 8. Oktober kommt Kaya Yanar nach Heilbronn, um uns sein neues Programm zu präsentieren. Wir haben vorab mit dem Comedian über die deutschen Eigenheiten, Tabus in der Comedy, vegane Ernährung und den Druck von Produktionsfirmen gesprochen.
MORITZ: Ihr neues Programm heißt Planet Deutschland. Haben Sie seitdem Sie in der Schweiz leben einen anderen Blick auf Deutschland bekommen?
Ja, es spielt in der Tat ein wenig ins Programm mit ein, dass ich meiner Schweizer Freundin versuche das Land näher zu bringen und dabei eigentlich scheitere. Die Schweizer haben zum Beispiel nicht wirklich den Weihnachtsmann, sondern das Christkind. Daher versuche ich meiner Freundin zu erklären, wer der Weihnachtsmann ist. Ich war der Auffassung, dass er typisch deutsch ist. Sie hat mich dann aufgeklärt, dass der Weihnachtsmann eine Erfindung von Coca Cola ist und es ihn erst seit den 60er Jahren in der Form gibt. Darauf hinterfragte ich selber meine eigenen deutschen Wurzeln und Traditionen. Dasselbe gilt für Silvester, wo ich einfach nicht erklären konnte, warum wir jedes Jahr Dinner for One schauen. Das sind so zwei Anekdoten, weshalb ich unter anderem nach Deutschland zurückkehre, um zu versuchen ihr Deutschland zu zeigen und feststellen musste: Es ist echt schwer etwas, das man jahrelang für selbstverständlich gehalten hat, zu hinterfragen.
MORITZ: Haben Sie für Planet Deutschland neue Figuren entwickelt, vielleicht sogar einen Schwaben, den wir in Heilbronn begrüßen dürfen?
Ich habe ein bisschen Material über schwäbisch, allerdings keine komplette Figur. Aber einer meiner Lieblingswitze kommt aus dem Schwabenländle. Ich habe sehr darüber gelacht, als ich ihn das erste Mal gehört habe und werde ihn auch auf der Bühne erzählen. Es geht um einen Schwaben, der sich ein Passwort überlegt, der ein oder andere wird jetzt schon lachen. Er fängt an mit Mauldasch und das Programm sagt ihm die ganze Zeit „Das Passwort ist zu kurz“. Er versucht es dann mit „MauldaschmitKartoffelsalat“, „Das Passwort braucht mindestens einen Umlaut“, „geschmälzteMauldaschmitKartoffelsalat“ und das geht ewig so weiter. Die Schlusspointe erzähl ich jetzt noch nicht, aber es ist einer meiner Lieblingswitze aus dem Schwabenländle, der es ins Programm geschafft hat.
Dartspielen im Dunkeln
MORITZ: Ist man nervös, wenn man ein neues Programm auf die Bühne bringt, oder testet man die Witze so oft an Bekannten, während man daran arbeitet, so dass man sich sicher ist es funktioniert?
Ich glaube nicht an das Pointentesten, um ehrlich zu sein. Ich glaube an mein Publikum und das hat eine ganz andere Wirkung, als wenn ich das an meinen Bekannten teste. Einzelne Bekannte sind nun mal nicht das Publikum und die Pointen haben dort noch mal eine ganz andere Wirkung. Es gibt Vorpremieren, bei denen ich vor ein paar hundert Leuten anfange mein neues Material auszuprobieren. Da bin ich schon nervös, weil man noch nicht weiß, ob das funktioniert. Ich vergleiche das immer mit Dartspielen im Dunkeln: Man sieht die Dartscheibe nicht und versucht mit den Dartpfeilen, die man in der Hand hat, die Mitte zu treffen. Dann macht man das Licht an und merkt: da ist überhaupt keine Dartscheibe.
Ganz so schlimm ist das natürlich nicht, aber es ist wirklich so, dass man den Treffer quasi hört, wenn man ins Schwarze getroffen hat. Und dann kann so ein Warm-up auch mal eine Zeit lang ohne Lacher auskommen. Aber das gehört dazu. Ich sag mal, in den zwanzig Jahren in denen ich jetzt Komiker bin, weiß ich, was auf mich zukommt, aber ich kann nicht verhindern, dass es diese Momente der „ohrenbetäubenden“ Stille gibt. Man denkt: „Wow ich hab mir das lustiger vorgestellt und die Leute reagieren gar nicht“. Das passiert umgekehrt aber genauso, dass an Stellen, die ich gar nicht für so witzig halte, sondern die eigentlich nur ein Aufbau für eine andere Pointe sein sollten, plötzlich die Leute lachen.
Die Vorproben sind kein wahnsinnig angenehmer Prozess aber dafür umso belohnender, wenn es bei der Premiere funktioniert und man sagen kann „Ein neues Programm ist geboren“. Das macht dann unheimlich viel Spaß. Ich finde meinen Beruf auch wirklich gerecht: „Man ist nur so gut wie seine letzte Show“, sagt man immer. Egal ob man 5, 10 oder 15 Jahre dabei ist, jeder Comedian muss am Anfang eines neuen Programmes wieder von vorne anfangen.
MORITZ: Sie spielen in Ihren Programmen gerne mit den Vorurteilen und Klischees anderer Kulturen, beobachten auf Reisen die Menschen um sich rum. Ist Reisen für Sie eher Arbeit oder Vergnügen?
Ich würde das gar nicht Arbeit nennen. Ich mache das, weil es mir Spaß macht. Ich liebe meinen Beruf und zum Glück liebt mein Beruf mich. In erster Linie Reise ich ganz einfach und mache Beobachtungen, die ich - wenn ich diszipliniert genug bin - in mein Smartphone hämmere, oder ich mache Fotos und Videos. Und wenn ich noch disziplinierter bin, dann bewerte ich das ganze Material irgendwann und gieße das in ein Programm. Aber für mich ist das keine Arbeit per se. Man muss Zeit und Energie mitbringen sowie diszipliniert sein, gar keine Frage. Es interessiert mich aber auch privat andere Länder und Kulturen zu bereisen oder mit neuen Augen durch Deutschland zu touren. Ich finde es großartig, dass mein Publikum das schätzt.
Die Macht und die Grenzen von Humor
MORITZ: Wenn wir Deutschland betrachten, beginnen wir scheinbar wieder in einer Zeit mit politischen Extremen zu leben und der Fremdenhass nimmt zu. Was kann man als Comedian zu der politischen Debatte beitragen? Kann Humor dabei helfen Ängste verschwinden zu lassen?
Komplett verschwinden lassen kann Humor nichts, ich kann das Leben der Menschen nicht komplett umkrempeln. Ich kenne auch die Lebenssituation der Menschen nicht. Aber es ist ja auch vieles im Kopf und ich glaube in den Köpfen kann man schon.
Einfluss darauf nehmen. Ich kann Dinge zum Besten geben, wie ich sie sehe. Ich glaube schon, dass man einige Leute beeinflusst, dass man mit Humor oder mit Comedy die Dinge anders sieht oder auf die Realität anders zugeht, anders berührt. Es macht einfach einen Unterschied, ob man mit Angst oder mit Humor auf jemanden zugeht. Dafür bin ich ein lebendes Beispiel.
Ich war zum Beispiel diesen Sommer das erste Mal in Russland. Ich kann kein russisch, viele Russen können kein Englisch und dann haben wir uns mit Händen und Füßen verständigt, mit einem Lächeln auf den Lippen. Das waren immer tolle Momente, wenn zwei Menschen sich mit einem Lächeln begegnen, die ich lange in meinem Kopf behalten werde. Das wäre natürlich anders, wenn ich mit Angst den russischen Mitbürgern begegnet wäre und gesagt hätte „oh ja was bei Euch im Land abgeht ... man weiß auch nicht“. Also vielleicht kann man durch Comedy schon Leute beeinflussen, Dinge leichter zu nehmen.
MORITZ: Gibt es für Sie Tabus, worüber Sie nie Witze machen würden?
Religion ist den Leuten sehr wichtig und heilig und manche reagieren auch extrem darauf, wenn man sich dem Thema humoristisch annähert. Die Erfahrung hab ich sehr früh in meiner Karriere gemacht und festgestellt, dass sich das gar nicht lohnt. Ich möchte die Leute auch nicht provozieren oder verärgern, da hab ich keine Lust zu. Deswegen lass‘ ich das Thema Religion weg, denn das ist wie ein Minenfeld. Krankheiten, Tod, Tragödien sind nicht so mein Ding, das bringt auch nichts zur Sache.
Beim Thema Politik bin ich zwar gut informiert, aber ich bringe es nicht auf die Bühne, weil ich glaube es wäre an meinen Talenten ein wenig vorbei. Wenn ich jetzt politischer Kabarettist werden wollen würde, würde ich das vom Informationsstand und Humor vielleicht einerseits können, auf der anderen Seite interessiert mich aber der Mensch mehr. Mich interessiert aus humoristischer Sicht nun mal nicht das eine oder andere Integrationsgesetz, sondern mich interessiert mehr, was auf der Straße und im Alltag zwischen dem Gemüsehändler und seinem Kunden passiert. Ich glaube, dass da mehr Politik gemacht wird bzw. mehr gespürt wird als durch irgendwelche Gesetze.
Dogmen und vegan Leben
MORITZ: Und über Veganer? Für manche ist das ja mit einer Religion vergleichbar? Ich frage weil sie selbst teilweise vegan leben.
Deswegen erst recht! Hier geht’s nicht um Religion im Sinne von „Das ist mir heilig“. Aber Sie haben Recht, es gibt wahnsinnig viele Veganer, die es sehr sehr ernst nehmen. Und diese Ernsthaftigkeit verstehe ich nicht und darüber mache ich dann die Witze, also nicht über die vegane Ernährung - ich bin ja selber einer, der lange vegane Phasen in seinem Leben hinter sich gebracht hat - sondern um die Einstellung, über diese Ernährungsweise, die ich manchmal total übertrieben finde. Ich mag nichts, was dogmatisch und missionarisch ist, egal, ob es eine Ernährungsweise oder ein Glauben oder sonst was ist.
Aber ich glaube auch, es gibt eine neue Form von Veganern, die gar nicht mehr so kritisch und so krass darauf reagiert. Ich hab jetzt einige Veganer kennengelernt, die sehr selbstbewusst und locker damit umgehen und das sind immer mehr. Diese heftigen Veganertypen waren eher in der Anfangszeit der Bewegung, und ich glaube das normalisiert sich wieder.
MORITZ: Was waren Ihre Beweggründe für eine vegane Lebensweise zu entscheiden?
Ich war ja schon Vegetarier. Der Schritt zum Veganismus war kein wahnsinnig großer und es war einfach Interesse und Neugierde. Zum Vegetarier bin ich aus ethischen Gründen geworden, also gar nicht so auf meine Gesundheit bezogen, aber zum Veganer wurde ich aus hedonistischen Gründen, um auf meine Gesundheit zu achten. Ich bin jetzt in der Mitte meines Lebens mit 43 und hab damit ca. vor drei Jahren angefangen. Wenn man so die 40 knackt, dann möchte man doch so ein bisschen auf seinen Körper achten, während man in den Zwanzigern sagt „Ich stopf alles in mich hinein und das verwertet mein Körper schon“. Diese Einstellung hat man dann nicht mehr, sondern man denkt „Joa, das ist der einzige Körper, den ich hab und ich schau’ mal“. Dann fängt man an sich für gewisse Ernährungsweisen zu interessieren und nicht nur für Sportarten. Da ich mich schon seit zehn Jahren vegetarisch ernähre, war das so der einzige logische Schritt.
MORITZ: Ist es auf Tour besonders schwer sich nicht nur fleischlos, sondern auch einigermaßen gesund zu ernähren?
Ja, das ich schwer! Wir waren ja in Russland, da haben sie uns ausgelacht. Es ist definitiv schwer. Deswegen sag ich auch immer „phasenweise“. Es gibt gewisse Phasen, da ist das nicht einfach aufrechtzuerhalten, dann falle ich sozusagen ins Vegetarische zurück. Aber ich bin sowieso kein dogmatischer Mensch und wenn es dann so Phasen gibt, wo es nichts Veganes oder Vegetarisches gibt, dann ist das halt so. Die Intention ist da und die Überzeugung auch. Aber ich bin niemand, der so krass sagt „Es muss so gehen und nicht anders“, so war ich noch nie.
MORITZ: Wie wichtig ist Ihnen soziales Engagement? Trägt man als Promi eine besondere Verantwortung?
Man kann eine Verantwortung tragen. Ich glaube jeder Promi entscheidet sich selbst, was er mit seinem Ruhm anfängt und ich finde es genauso in Ordnung, wenn sich Leute nur um den Beruf oder die Marke kümmern. Das verstehe ich und verurteile das auch nicht. Aber ich glaube, ich bin so jemand, der schon bevor ich prominent wurde so einen Drang hatte. Ich finde, warum sollte man es nicht ausleben, wenn es in einem ist. Ich finde es eine sinnvolle Nummer seinen Ruf nicht nur zu benutzen, um Karten zu verkaufen oder Leute zum Lachen zu bringen, sondern schau’ halt, was ich mit der Aufmerksamkeit anfangen kann.
Ich bin natürlich wahnsinnig vorsichtig, was ich so alles tue und wähle das aus, weil ich den Leuten auch nicht auf die Nerven gehen will mit allen möglichen Botschaften. Aber einige Sachen haben sich so über die Jahre herauskristallisiert. Das waren Tierschutz, Ernährung, Menschenrechte oder die Kinderkrebsstation. Einfach Dinge, die mich ansprechen. Ich überlege jetzt nicht wahnsinnig strategisch, sondern schau’ einfach, was mich berührt und wenn mich was überzeugt, wie Schule gegen Rassismus vor fünf Jahren, dann mache ich das. Mich hat es bewegt, dass die Schüler damals in der Schule eine Ausstellung um das Thema Rassismus und wie man dem begegnet, gemacht haben. Daraufhin hab ich mich bereit erklärt mich da als Pate zu engagieren. Das sind einfach Dinge, die ich mir nicht überlege, sondern die ich einfach umsetzte.
Das Niveau in der Comedy-Branche
MORITZ: Die Menschen sind ja nicht sonderlich gut im Differenzieren, machen manche Comedians mit Ihrem flachen Niveau das Image kaputt?
Ja gibt es. Es gab mal eine Zeit, mittlerweile ist es wieder ein bisschen besser geworden, da war „Komiker“ ein Schimpfwort. Ich bin ja so einer, der seine Kollegen immer in Schutz nimmt und eher auf der Seite der Künstler ist. Wobei es auf der anderen Seite die Showbusiness-Industrie gibt, die gewisse Gesetze hat. Die meisten Künstler, die ich kenne, versuchen wirklich die Leute zu unterhalten und so ihre Brötchen zu verdienen, aber die Maschinerie ist nicht einfach. Und wenn Künstler und Produzent zusammenkommen, gibt es eine Schnittmenge, die ist nicht optimal, weil TV-Sender nun mal Marktgesetzen unterliegen und auch Redaktionen treffen fragwürdige Entscheidungen. Sehr schnell kommt man aus was raus, das einfach nur Schrott ist. Auch ich wurde ab und zu mal verschrottisiert, da kann sich keiner entziehen. Das schadet natürlich der ganzen Branche. Aber ich solidarisiere mich eigentlich schon eher mit den Künstlern und sehe das differenzierter, woran das liegt oder gelegen haben könnte.
Ich beneide dann solche großartigen Künstler wie Loriot, der - wie er in einem Interview gesagt hat - Tage hatte, um einen Sketch vorzubereiten und zu drehen. Das gibt es heute nicht mehr. Wenn ich einen Tag für einen Sketch hätte, das wäre ein Traum. Ich muss an einem Tag vier Sketche drehen und das merkt man manchmal.
MORITZ: Inwieweit redet das Management oder Produktionsfirma Ihnen noch rein, was Trends angeht? Müssen Sie sich als erfahrener Comedian immer noch danach richten?
Auf der Bühne kann ich machen, was ich will. Da bin ich mein eigener Chef, deswegen liebe ich die Bühne so. Der Sender hingegen hat seine eigenen Vorstellungen. Ein Sender ist ja so: Er verkauft Werbung und du darfst das Programm dazwischen machen. Und da wird es natürlich schwierig, wenn Produktionsfirma, Sender und Künstler aufeinandertreffen. Es kann meiner Meinung nach nur Kompromisse geben und natürlich hat der Sender seine eigenen Vorstellungen von Trends und der Künstler andere.