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Blacktape Dreh
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Blacktape Thomas D
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Blacktape Max Herre
Ein Film über die Hip-Hop-Kultur? Klar, gab‘s neulich erst. Aber anders als das Säbelrasseln »Straight Outta Compton« beleuchtet Sékou Nebletts Doku »Blacktape« – die einen Tag nach der Premiere am 2. Dezember in Berlin im Rahmen der Filmschau Baden-Württemberg im Stuttgarter Metropol-Kino zu sehen ist – die Geburt und den Aufstieg des deutschen HipHops. Dessen Epizentrum lag einst in Stuttgart.
Der HipHop hat sich verändert. Er ist nicht mehr dasselbe wie noch vor 25 Jahren, ist runter von der Straße und rein in die Luxusvillen. Protzautos und nackig posierende Damen am Pool statt Sozialkritik und Jugendkultur? Ganz so undifferenziert darf man das natürlich nicht sehen. Dennoch findet auch Sékou Neblett, dass ein Umdenken stattgefunden hat. Als Mitglied von »Freundeskreis« prägte der gebürtige Amerikaner den deutschen HipHop der Neunziger nachhaltig. Jetzt beschert er ihm mit »Blacktape« ein erstes filmisches Denkmal. Das hat ganz schön lang gedauert, wenn man mal ehrlich ist. »Hip-Hop ist stigmatisiert«, so Nebletts Erklärung. Für ihn fängt das schon bei der deutschen Sprache an. »Als letztes Glied in einer Reihe von deutschsprachigen Musikphänomenen war es der HipHop, der der Jugend wieder ihre Sprache zurückgegeben hat. Er hat diese ‘Tätersprache‘ entstigmatisiert und sie zu einer lebendigen, legitimen Sprache gemacht.«
Dennoch: Für viele ist HipHop nicht mehr als gereimte Beleidigungen, Drogenverherrlichung und stumpfes Angebertum, unterlegt mit lauten Beats und behängt mit Goldkettchen. »Das ist durchaus ein Bestandteil dieser Kultur«, nickt der Filmemacher, betont aber, dass es eben längst nicht alles ist. Die grob 25 Jahre deutsche HipHop-Geschichte, die sich in »Blacktape« wiederfinden, sind Jahre großen Wandels. Neblett erlebte sie an vorderster Front, sozusagen. Nachdem er 1984 nach einem längeren Deutschlandaufenthalt in die Staaten zurückgekehrt war, kam er das nächste Mal 1993 ins Land. Da war er plötzlich da, der deutsche HipHop, breitete sich aus einer Stadt aus, der man das am wenigsten zugetraut hätte: Stuttgart. »Ich kam gerade in die Stadt, als diese gesamte Generation aus Max Herres und Afrobs aus den Jugendhäusern kam und das Experimentieren hinter sich gebracht hatte«, erinnert er sich gern daran zurück. »Das war unglaublich spannend, es lag etwas Aufstrebendes in der Luft. Wie kurz vor einem Sturm.« Das war es auch, was ihn hier gehalten hat. »Ich spürte, dass hier etwas passiert. Die Leute hatten etwas zu sagen.«
Die ersten Gehversuche des deutschen Hip-Hops hatten für ihn nicht allzu viel mit dem zu tun, was er aus Amerika kannte. »Den wirklich guten deutschen HipHop, wie ich ihn später auch fabrizieren durfte, lernte ich erst durch Max Herre kennen. Das waren Absolute Beginner, Tobi und das Bo, Massive Töne...« Ein GI-Lob als Ritterschlag, damals gewiss das Größte, das einem deutschen Rapper passieren konnte. Dennoch war das nur der Anfang. Sehr bald schon entwickelte sich eine Szene, ein reger Austausch, der künstlerisch auf eigenen Beinen stand, schlaue Sachen rappte und damit langsam auch den Mainstream erreichte, der zuvor Acts wie den Fantastischen Vier vorbehalten war. »Einer wie Max Herre hatte nie vor, erfolgreich zu sein«, betont der Regisseur. Das Gegenteil war der Fall, es wurde gegen das Establishment gerappt. Sprechgesang statt Kapitalismus? Durchaus, aber nur bis zu einem gewissen Grad. »Diese Einstellung änderte sich, als man selbst, und damit auch die Kunstform, reifer wurde.«
Ein Ende nach oben war nicht in Sicht. Vorläufiges Ende der Stuttgarter Fahnenstange ist einer wie Cro, der mehr Pop ist als Rap, eine Pandamaske trägt und von unbeschwerten Zeiten rappt. Neblett hält sich mit einem Urteil zurück: »Mittlerweile ist jeder eine Marke, diese Underground Entwicklung von damals gibt es gar nicht mehr«, meint er dazu. »Das ist ein anderes Zeitalter.« Ein Zeitalter, in dem auch Stuttgart als HipHop-Hochburg weichen musste? Neblett nickt. »Die Hochburg hat sich nach Berlin verlagert. Ein Streetrapper wie Shindy kommt zwar aus Stuttgart, kann sich aber nicht mit der Stadt identifizieren, weil Stuttgart nicht hart genug ist. Deshalb muss er nach Berlin migrieren.« Vorbei die stolzen Benztown-Zeiten, für ihn ist das alles längst viel weitgefasster. »Es ist definitiv nicht mehr 0711«, spielt er auf die Label- und Partyinstanz vergangener Tage an. In »Blacktape« werden sie trotzdem noch einmal lebendig. Eben ganz so, wie es sich für ein wertvolles und spannendes Zeitdokument gehört. Christopher Sturm
www.blacktape-derfilm.de