Foto: Opus GmbH / Reiner Pfisterer
Jamie Cullum bei den Jazzopen
Warum soll man etwas ändern, was ein Mal hervorragend funktioniert hat? Das dachten sich wohl auch die Macher der Jazzopen, als sie über das diesjährige Programm nachdachten. Ein Name wird ihnen aus dem Vorjahr sehr präsent gewesen sein: Jamie Cullum. Der Brite überzeugte vor Jahresfrist mit seiner Energie und seiner Musikalität und so war es auch keine große Überraschung, als sein Name wieder auf den Plakaten auftauchte. Ihm war der Schlussakkord der diesjährigen Auflage des Festivals, das aus Stuttgart nicht mehr wegzudenken ist, vorbehalten. Und es war, so viel vorab, ein würdiges Ende.
Die Jazzopen zeigen sich seit jeher als ein vielfältiges Festival. Das Genre „Jazz“ dient dabei eher als ein umfassender, keineswegs dogmatischer Begriff. Die Schubladen der Jazzopen sind offen. Und auch Jamie Cullum lässt sich ungerne in eine Schublade sperren. Dafür ist er zu gut, dafür kann er zu viel. Auch wenn sein Hauptinstrument der Flügel ist. Man kann ihn dennoch mit Fug und Recht als einen Multiinstrumentalisten bezeichnen. Das zeigt gleich sein erstes Stück. Bei „Same things“ bearbeitet er zunächst nur eine Snare-Drum, kraftvoll, rhythmisch, bringt die Menschen auf den Rängen und vor der Bühne – am Nachmittag waren 5.300 von den 5.400 Tickets verkauft, man kann also von „ausverkauft“ sprechen – schnell auf Betriebstemperatur.
Im Vergleich zu den vorangegangenen Tagen ist es an diesem Sonntagabend verhältnismäßig kühl. Frieren wird trotzdem niemand. Am wenigsten Cullum selbst, der sich im Laufe des Konzerts nach und nach entblättert. Erst das Jacket, dann das Hemd, am Ende steht er nur im T-Shirt da. Das verwundert nicht. Denn der Engländer ist auf der Bühne ein Energiebündel par excellence. Er tanzt, hüpft, klettert auf den Flügel, nimmt ein Bad in der Menschenmenge – er ist überall. Er singt, rappt, beatboxt, verwandelt den Flügel in ein Percussioninstrument. Er wird zu Snoop Dogg bei „Drop it like it's hot“ und er singt mit „Singing in the rain“ – „fuck you rain!“ – den aufkommenden Wolkenbruch weg. Ihm zur Seite stehen mit seiner Big Band hervorragende Musiker, denen er Platz zur Entfaltung gibt, nicht müde wird, sie immer und immer wieder vorzustellen. Sie danken es ihm, indem sie seine Energie buchstäblich aufsaugen und sie an das Auditorium weitergeben. Diese Energie erreicht ihren Höhepunkt im extatischen „Mixtape“. Keiner sitzt, keiner steht, jeder klatsch, hüpft, singt lauthals „Oooooh, oh, oh, oh, oooohoooohohohooooo“ mit, ist aus dem Häuschen. Dann ist es vorbei. Fast. Nachdem sich die Band und Cullum vom Publikum verabschiedet haben, taucht er alleine auf, setzt sich an den Flügel und performt wohl die intimste Version von Rihannas „Don't stop the music“. Es ist plötzlich still, das Publikum hängt an Cullums Lippen, als er den Refrain „I wanna take you away, let's escape into the music, DJ let it play“ geradezu flüstert. „Don't stop the music“ – es ist ein würdiges Ende der Jazzopen. Und es würde niemanden wundern, wenn der Brite im nächsten Jahr wieder auf den Plakaten auftaucht.
Alexander Steinle
1 von 4
Reiner Pfisterer
Jamie Cullum/Jazz Open 2015
Jamie Cullum beim Konzert auf dem Schossplatz am 12.7.2015
2 von 4
Reiner Pfisterer
Jamie Cullum/Jazz Open 2015
Jamie Cullum beim Konzert auf dem Schossplatz am 12.7.2015
3 von 4
Reiner Pfisterer
Jamie Cullum/Jazz Open 2015
Jamie Cullum beim Konzert auf dem Schossplatz am 12.7.2015
4 von 4
Reiner Pfisterer
Jamie Cullum/Jazz Open 2015
Jamie Cullum beim Konzert auf dem Schossplatz am 12.7.2015