Eigentlich haben SIE und ihr Mann John keine Probleme. SIE ist Mitte 30 und als leitende Redakteurin bei einer Tageszeitung und Lifestyle-Bloggerin erfolgreich.
Er ist Anfang 40 und bringt als Unternehmer jede Menge Geld nach Hause. Gerade haben sie sich eine große Altbauwohnung gekauft. Da kommt SIE plötzlich mit einem Wunsch, den John nie bei ihr vermutet hätte. SIE möchte ein Kind! Er hat auch nichts dagegen. So weit, so gut.
Doch von nun an ist alle Leichtigkeit dahin. SIE orientiert das Liebesleben nur noch an den fruchtbaren Tagen und verlangt, dass John auch seine Geschäftsreisen danach terminiert. Aber SIE wird einfach nicht schwanger. Er flieht vor dem Druck und ist immer häufiger abwesend. Unter ihrem sich zur Manie entwickelnden Kinderwunsch leidet auch die Beziehung zu ihrer Schwester Mary, die ein Kind bekommt, aber keine Beziehung zu ihm aufbauen kann. Ihre Mutter Helen ist für SIE auch keine Stütze, denn sie bekennt freimütig, dass sie lieber ihre Freiheiten genossen hätte, als ihre Töchter großzuziehen. Zu allem Übel lässt SIE die ganze Welt an ihrem seelischen Leid und an den erfolglosen Versuchen, schwanger zu werden, teilhaben, weil SIE alles minutiös in ihrem Blog mitteilt. SIE steigert sich immer weiter in ihre Obsession hinein. SIE und John geraten in einen Albtraum und finden nicht mehr heraus.
"Yerma", dieser Name bedeutet im spanischen Sprachgebrauch "die Brachliegende". Der Autor und Regisseur Simon Stone (*1984) hat das 1934 entstandene Drama des spanischen Autors Federico García Lorca aus dem ländlichen Andalusien der 1930er-Jahre ins Großstadtmilieu von heute geholt. Beide schildern die Tragödie der kinderlosen, unerfüllten Frau. Bei Lorca ist Yerma die Frau eines Bauern, deren Hauptaufgabe darin besteht, Kinder zur Welt zu bringen, die aber auch ihren Lebenssinn und ihre ganze Hoffnung auf Glück an ein Baby knüpft. Simon Stone hat seine Überschreibung von "Yerma" 2016 in London herausgebracht und 2021 an der Berliner Schaubühne noch einmal inszeniert. Seitdem läuft das Stück dort mit großem Erfolg. Seine Yerma steht für eine erfolgsverwöhnte Frau, die sich eigentlich nie über Kinder Gedanken gemacht hat, die aber ein Scheitern nicht akzeptiert, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat. Wie schnell eine fixe Idee in selbstzerstörerischen Fanatismus umschlagen kann, dafür gibt das Stück ein eindrucksvolles Beispiel. Auch mit den anderen Frauenfiguren in diesem Drama holt Simon Stone das häufig so idealisierte Bild der Mutter vom Sockel und zeigt es in seiner ganzen Ambivalenz.