Gedenken an die Ermordung der Stuttgarter Widerstandskämpfer
Der Schauspieler Christoph Hofrichter liest aus Friedrich Schlotterbecks Buch „Je dunkler die Nacht... Erinnerungen eines deutschen Arbeiters 1933-1945“ und begleitet den Abend mit Liedern aus der sozialistischen Arbeiterbewegung sowie Texten und Liedern von Kurt Tucholsky und F. J. Degenhardt. Mit einer Einführung von Michael Horlacher.
Friedrich Schlotterbeck wurde 1909 als Sohn eines Metallarbeiters in Reutlingen geboren. Da der Vater in Reutlingen als Arbeiterführer auf der roten Liste stand und keine Arbeit fand, zog die Familie 1911 nach Esslingen und 1919 nach Stuttgart-Luginsland. Dort schloss sich der junge Frieder einem Kreis von mutigen Menschen aus dem Raum Stuttgart – meist Kommunisten – an, die seit 1933 unter größter Gefahr Widerstand gegen die Nazis leisteten. Obwohl er als KPD-Funktionär während der Machtübernahme Hitlers im Ausland war, kam er zurück. In Chemnitz wurde er bei einer Kontrolle im Herbst 1933 verhaftet. Es folgten Zuchthaus und KZ bis 1943. Am 5. Juli 1944 gelang ihm als einzigem der "Widerstandsgruppe Schlotterbeck“ die Flucht in die Schweiz. Fünf Mitglieder der Gruppe hatten die Schweiz nicht erreicht. Sie wurden zusammen von der Gestapo verhaftet und am 30. November 1944 in Dachau ermordet.
1945 verfasste und publizierte Friedrich Schlotterbeck seine Erinnerungen «Je dunkler die Nacht... Erinnerungen eines deutschen Arbeiters 1933-1945», ein ebenso persönliches wie mitreißendes Zeitdokument über Widerstand, Haft und Flucht im Nationalsozialismus. Schlotterbeck, dessen ganze Familie, darunter seine ebenfalls in Reutlingen geborene Schwester Gertrud Lutz, Opfer des NS-Terrors wurde, wirkte nach dem Zweiten Weltkrieg in Stuttgart (u.a. als Präsident des Roten Kreuzes Württemberg-Baden und der VVN). Er übersiedelte 1948 in die DDR, wo er dann Anfang der 50er-Jahre wegen falscher Anschuldigungen drei Jahre in Haft verbrachte, bis er 1956 entlassen und rehabilitiert wurde. Er war befreundet mit der Schriftstellerin Christa Wolf, die auch ein Nachwort zur Neuauflage seines Buches verfasste.
An der Verfolgung und Ermordung der Opfer war der in der Gestapo-Zentrale Hotel Silber in Stuttgart tätige SS-Mann und Kriminalkommissar Alfred Hagenlocher maßgeblich beteiligt. Die Meldung der Gestapo über die Hinrichtungen an das Standesamt Stuttgart trägt seine Unterschrift. Im Rahmen der Entnazifizierung wurde Hagenlocher zunächst als Hauptschuldiger eingestuft, 1951 wurde das Spruchkammerverfahren jedoch eingestellt. Er streifte sein Vorleben ab und wurde in Reutlingen ein prominenter Mann als Künstler, Kunstmäzen und Vorsitzender der Hans-Thoma-Gesellschaft. Die dunkle Seite des im Jahre 1994 durch den Ministerpräsidenten Erwin Teufel mit der Staufer-Medaille ausgezeichneten Alfred Hagenlocher wurde erst in den letzten Jahren bekannt. „Vom Gestapokommissar zum Kunstexperten – Alfred Hagenlocher in Reutlingen“ ist der Titel eines Vortrags von Dr. Werner Ströbele am 12. November 2024 in der Volkshochschule Reutlingen.
Christoph Hofrichter: 1946 in Stuttgart geboren, Schauspieler und Regisseur an großen Theatern, überregional bekannt aus Fernsehproduktionen, u.a. mit Manfred Krug („Auf Achse“) und Götz George („Schimanski“), Serien wie „Der König von Bärenbach“ mit Walter Schultheiß, diversen „Tatort-Produktionen“ und internationalen Kinofilmen wie „Joint Security Area“ (Südkorea).
Michael Horlacher: 1960 in Stuttgart geboren, Mitherausgeber der Briefe aus Gefängnissen und KZs von Gertrud Lutz, geborene Schlotterbeck.