Gäste:
Thilo Komma-Pölath, Co-Autor "Black Romeo"
Lauretta Summerscales, erste Solistin
Ksenia Shevtsova, erste Solistin
Maria Daniela Gonzalez, Tänzerin
Er hat es geschafft. Raus aus den Armenvierteln in Kuba und an die Spitze der europäischen Ballettwelt. Der Afro-Kubaner Osiel Gouneo ist Erster Solist am Bayerischen Staatsballett - und einer der wenigen schwarzen Stars der klassischen Ballettszene. Über seine außergewöhnliche Karriere erzählt er jetzt in seinem Buch "Black Romeo". Zusammen mit zahlreichen Namhaften Tänzerinnen und Tänzern der internationalen Tanzszene präsentiert er Szenen aus seinem Werk in einer Lesung und zeigt die grazile Anmut des Tanzes im Theaterhaus.
Für gewöhnlich beeindruckt ein Ballettbuch durch Fotos, durch Momentaufnahmen von außerirdischer Schönheit, in denen die Schwerelosigkeit des Tanzes festgehalten wird. Nicht so "Black Romeo". Das Buch ist kein prächtiger, schwerer Bildband. Das Buch erzählt vom harten Leben, dem Kampf und der Kraft, die es kostet,um der Armut zu entfliehen. Es ist das erzählte Leben von Osiel Gouneo.
Getanzt hat der von klein an: erst nur Rumba unterm Mangobaum in Matanzas. Als Neunjähriger kommt Osiel als eine Art "Ballettsoldat" ins strenge Internat in Pastorita. „Meine Fantasie reichte nicht aus, mir vorstellen zu können, dass ich tatsächlich einmal auf einer Bühne stehen könnte. Ich dachte, man will mich hier mit weißen Strumpfhosen demütigen“, so beschreibt er seinen damaligen Blick auf das aufreibende Ballett-Training.
Doch Osiel beißt sich durch den harten Trainingsalltag. Er motiviert sich, indem er stapelweise Ballettvideos schaut. Später gelingt Gouneo die Aufnahmeprüfung an der angesehenen Kaderschmiede von Havanna. Für Osiel nimmt damit eine internationale Tänzerkarriere ihren Lauf: in Oslo, Moskau, Paris, München.
Ein Thema, das ihm auf fast allen Stationen seiner Karriere begegnet, ist auch der real existierende Rassismus in der blitzblanken Ballettwelt. Ungeschminkt spricht Gouneo vom Unwort mit N und vom wütenden Mohren in Strawinskys Ballett "Petruschka". Ausgerechnet als Spartakus beim Bayerischen Staatsballett, also in der Rolle eines Sklaven, wurde Gouneo zum Tänzer des Jahres gekürt. Für den Tänzer stellt sich da die Frage: Lieben Publikum und Kritiker ihn, weil Gouneo wirklich der Beste ist oder weil er perfekt "passt"? Nur am Rande bemerkt: Seinen Nachnamen Gouneo hat er vom Sklavenhalter seiner Vorfahren.
Gouneo war der erste schwarze Romeo beim traditionsreichen Pariser Ballett, deshalb der Buchtitel.
Und er fragt in seinem Buch: Wie schwarz-weiß ist unser Denken? Wie vorgeformt sind unsere Sehgewohnheiten? Wäre es nicht endlich an der Zeit, nach Qualität und nicht nach Hautfarbe zu bewerten? In der Theorie sind wir alle "woke" und tolerant, erkundigen uns nach Pronomen und machen sexuelle Vorlieben zum Thema beim Kaffeeklatsch. Doch was den Rassismus angeht, sieht es oft anders aus.
Osiel Gouneos Autobiographie ist also nicht nur eine unglaubliche Aufstiegsgeschichte, sondern ein ebenso überraschender wie relevanter Debattenbeitrag in Zeiten aufgeregter Diskussionen um Cancel Culture und kulturelle Aneignung.
Themen, um die es auch an dem Abend im Theaterhaus gehen wird. Themen die bewegen vereinen sich mit der Bewegung des internationalen Tanzes und werden so zu einer über sämtlichen Grenzen hinweg funktionierenden gemeinsamen Sprache.
Mehr zu den Gästen:
Thilo Komma-Pölath, geboren 1971, ist Journalist, Reporter und Buchautor in München. Er ist Co-Autor der Autobiographie von Osiel Gouneo, BLACK ROMEO. Komma-Pöllath betreibt das Redaktionsbüro KOMMA MEDIA und schreibt für einige der namhaftesten Qualitätsmedien, darunter das Magazin der Süddeutschen Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) und das Schweizer DAS MAGAZIN. Komma-Pöllath nennt sich einen „kritischen Journalisten“, sein thematischer Schwerpunkt liegt auf Gesellschaft, Medien, Kultur. Er hat eine kritische Biographie über den Fußballmanager Uli Hoeneß geschrieben und ist Co-Autor des SPIEGEL-Bestsellers „Ich habe Wut und Hass besiegt“, das Holocaust-Memoir der Auschwitz-Überlebenden Rachel Hanan. Komma-Pöllath wurde mit mehreren Journalismus-Preisen ausgezeichnet. Der gebürtige Bayer würde so gerne Salsa tanzen lernen, aber Osiel Gouneo hat es ihm immer noch nicht gezeigt.
Laurretta Summerscales, Solotänzerin beim Bayerischen Staatsballett in München (2017- aktuell) und ehemalige Solotänzerin beim English National Ballet in London (2009-2018). Zuletzt gewann Sie Gold beim Internationalen Ballettwettbewerb in Peking 2013.
Ksenia Shevtsova, Gewinnerin des Bolshoi Ballet's Best Ballerina Nomination Project (2018) und Gewinnerin des Soul of Dance Award (2019). Im Jahr 2019 wurde sie zur Primaballerina des Stanislawski-Theaters ernannt. Seit 2024 ist sie Primaballerina des Bayerischen Staatsballetts.