»Ingolf Thiel gehört zu den großen Foto-Designern, der seiner Zeit meist voraus war.« – So würdigte 1985 das Magazin Kodak Fotografie International den im selben Jahr mit nur 41 Jahren verstorbenen Stuttgarter Fotografen. Geboren 1943 in Danzig, zählte Thiel Anfang der 1980er Jahre zu den innovativsten Werbefotografen Deutschlands, dessen Kampagnen den Look einer ganzen Generation widerspiegelten und gleichzeitig prägten. Seine Aufnahmen waren in vielen großen Magazinen der Zeit zu sehen, darunter Elle, Nora, Linea Italiana und Playboy. Zu seinen Auftraggebern gehörten Unternehmen wie Daimler-Benz und vor allem große Modelabels wie Breuninger, Bleyle, Schöller oder Mustang-Jeans. Parallel entstanden immer auch freie Arbeiten, konzeptionelle Schwarzweiß-Serien, in denen Thiel die Ästhetik seiner Zeit reflektierte. Mit der bewusst coolen Haltung des beginnenden New Wave der frühen 1980er Jahre bricht Thiel die Werbeästhetik und stilisiert sie zu einer »Schönheit mit Widerhaken«.
Ingolf Thiel war aber nicht nur Fotograf, sondern auch Kostümbildner, Schauspieler, Balletttänzer und Modedesigner. Die zahlreichen Ausflüge in andere Künste waren für ihn Möglichkeiten der Perspektiverweiterung und kreative Impulsgeber für seine fotografische Arbeit. Mit Lässigkeit und Coolness, stets auf der Höhe der Zeit, fand er einen Bildstil, der den Zeitgeist der frühen 1980er Jahre in all seinem Facettenreichtum festhielt.
Seine mit Auszeichnung absolvierte fotografische Ausbildung erfuhr Ingolf Thiel von 1964 bis 1967 in Stuttgart bei Franz Lazi (1922-1998), einem renommierten Industrie- und Werbefotografen. Nach Anfängen in verschiedenen Fotostudios machte er sich 1975 mit einem eigenen Studio in Stuttgart selbstständig und wurde schnell zum gefragten Werbefotografen. Die Trennung zwischen angewandter und freier Fotografie war für ihn jedoch keine Kategorie. Vielmehr erhob er den fließenden Austausch zum bestimmenden Gestaltungsprinzip.
Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit der Deutschen Fotothek in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), die seit 2017 den Nachlass des Künstlers verwahrt.