J.S.Bach: Goldberg-Variationen BWV 988
und Meisterwerke der Romantik
Mendelssohn: Variations serieuses op.54
Brahms: Variationen d-moll aus dem Streichsextett op.18
Mein langjähriger Prof B. Kistler-Liebendörfer (Ich hatte 15 Jahre Unterricht bei ihm – später eine enge Freundschaft) war Pianist und Cembalist (dessen Lehrer Herrmann Keller war einer der bedeutendsten Bach-Kenner weltweit). Kistler-Liebendörfer hatte die Goldberg-Variationen wie auch das Musikalische Opfer und die Kunst der Fuge auf dem Cembalo oft aufgeführt. Mein Interesse damals als Student an den Goldberg-Variationen hat er gebremst: "Michael, das ist für zweimanualiges Cembalo - auf dem Klavier wird das nichts" - Trotzdem habe ich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten immer wieder daran gedacht. Der "Tritt in den Hintern" eines erwachsenen Schülers hat mich dazu gebracht, mir die Arbeit (Analyse, Fingersätze, Lösungen für ungünstige Kreuzungen der Hände auf einem Manual...) zu machen. - Ich habe es nie bereut. Es eröffnet sich ein Kosmos der Musik. Die konzertfreie Zeit während der Corona-Pandemie (es herrschte ja so eine Art „Berufsverbot“) hat mir die Möglichkeit gegeben für die Arbeit (Analyse, Fingersätze, Lösungen für ungünstige Kreuzungen der Hände auf einem Manual...). - Ich habe es nie bereut. Es eröffnet sich ein Kosmos der Musik.“ (Michael Nuber)
Die Goldberg-Variationen sind eines der bedeutendsten Werke Johann Sebastian Bachs für Cembalo. Im von Bach selbst veranlassten Erstdruck aus dem Jahr 1741 wurde es als Clavier Ubung bestehend in einer ARIA mit verschiedenen Verænderungen vors Clavicimbal mit 2 Manualen bezeichnet.
Die Goldberg-Variationen stellen einen Höhepunkt barocker Variationskunst dar. Das Werk zeichnet sich durch einen planvollen Gesamtaufbau mit regelmäßig eingefügten, in den Oberstimmen streng kanonischen Sätzen aus. Den inneren Zusammenhang der Variationen untereinander liefert das gemeinsame Bassthema. Jeder Einzelsatz besitzt einen eigenen Charakter.
Der einleitenden Aria folgen – in zwei Teile unterteilt – 30 Variationen, die sich jedoch kaum an der Melodie der Arie, sondern nahezu ausschließlich an ihrer 32-taktigen Basslinie orientieren. Jede dritte Variation enthält einen Kanon, wobei das Intervall der kanonischen Stimmen stetig wächst. Die aufsteigende Intervallfolge ist vom Einklang über Sekunde, Terz, Quarte usw. bis zur None angeordnet. Diese Kanons schließen jeweils eine Dreiergruppe ab, die außer diesen Kanons jeweils eine Kompositionsstudie in besonderem Charakter (Fughetta, koloriertes Adagio, Alla breve…) und eine meist zweimanualige Virtuositätsstudie in zunehmender Schwierigkeit enthält. Im 19. Jahrhundert würde man diese als Charakterstücke und Konzertetüden bezeichnen.
Die 16. Variation – eine Ouverture – markiert den Beginn des zweiten Teiles der Variationenreihe – in dieser Position ein musikgeschichtliches Unikum. Die 30. Variation weicht von der strengen Anordnung ab. Statt eines Dezimenkanons setzt Bach hier ein Quodlibet ein, das zwei Volkslieder kunstvoll kontrapunktisch ineinander verwebt.
Ein da Capo der im Erstdruck nicht nochmals wiedergegebenen Aria schließt den Zyklus ab.
Der symmetrische Aufbau und die schematische Binnengliederung bilden das Gerüst für vielfältige musikalische Gestalten (Bach im Handexemplar: verschiedene Verænderungen). Die Varietas der Variationen kommt beispielsweise durch unterschiedliche Satztypen, Tempi, Taktarten, Tongeschlechter, Spielweisen und die unterschiedliche Gestaltung der Intervallkanons zustande.
Mendelssohn: Variations serieuses op.54
Felix Mendelssohn schuf sein bedeutendstes Klavierwerk 1841, auf dem Höhepunkt seines internationalen Ruhms. Aus dem strengen zweiteiligen Thema in d-Moll entwickelte er ein ganzes Kompendium pianistischer Virtuosität – von orchestralen Bassoktaven in der 3. Variation über das Furioso der 7., die prickelnden Triolenketten der 8. und 9. bis hin zum großen Finale der 16. Variation über einem langen Orgelpunkt. Als besinnliches Intermezzo dient die 14. Variation in D-Dur.
Der etwas ungewöhnliche Titel Variations sérieuses ist als Reaktion Mendelssohns auf die Musizierpraxis seiner Zeit zu deuten. 1842, zu einer Zeit, in der so genannte "Variations brillantes", rein virtuose Fantasien über modische Themen, den Musikalienmarkt überschwemmten, legte Mendelssohn mit seinem op. 54 ein Werk vor, das sich einerseits an den Variationen in c-Moll von Beethoven zu orientieren scheint, andererseits antizipierte er den späteren virtuosen Variationsstil von Brahms.
Und gerade die kompositorische Kunstfertigkeit haben Pianisten, Komponisten und Musikhistoriker im Ohr, wenn sie Mendelssohns Variations sérieuses op. 54 als eines der Schlüsselwerke romantischer Klaviermusik bezeichnen.
Das 16-taktige Thema gliedert sich deutlich in vier Abschnitte von jeweils vier Takten. Bei dem Thema handelt es sich um eine Melodie in seufzenden Synkopen über einer choralartigen Akkordfolge. Die Variationen schließen ohne Pause aneinander an, wobei sich nahtlose Fortsetzungen und kontrastierende Schnitte abwechseln. Die Variations sérieuses op. 54 sind eines der geschätztesten Werke des Komponisten. Sein guter Freund, der Komponist und Pianist Ignaz Moscheles bekannte "Ich spiele die Variations sérieuses immer wieder, jedes Mal genieße ich die Schönheiten aufs neue". Auch Ferrucio Busoni schätzte das Werk sehr.
Brahms Variationen d-moll aus dem Streichsextett op.18 in der von Brahms selber erstellten Klavierfassung:
Der 2. Satz ist eine Folge von Variationen über ein archaisches Thema in d-Moll. Es weist einerseits zurück auf die barocke Follia, andererseits wirkt es im Klangcharakter ungarisch. In dem Thema hat er auf raffinierte Weise Anspielungen auf deutsche Volkslieder mit einem ungarischen Einschlag verbunden. Seit Hamburg 1849 von ungarischen Emigranten überschwemmt worden war, gehörte die Zigeunermusik ja zu den charakteristischen Elementen seiner Musik. Daher auch die zimbalartige Begleitung des Themas.
J.S.Bach(1685-1750), geboren in Eisenach, erhält nach frühem Tod der Eltern seine schulische und musikalische Ausbildung ab 1695 in Ohrdruf bei seinem ältesten Bruder Johann Christoph Bach und ab 1700 in Lüneburg. Nach Organistenämtern in Arnstadt (1703-7) und Mühlhausen (1707) wird er 1708 Hoforganist und 1714 Hofkonzertmeister bei Herzog Wilhelm Ernst in Weimar. Nach einer Hofkapellmeisterstelle bei Fürst Leopold in Köthen (1717-23) lebt Bach bis zu seinem Tode als Musikdirektor und Thomaskantor in Leipzig. 1736 ernennt ihn der Kurfürst von Sachsen und König von Polen, August III., zum Hofkompositeur. Bachs Schaffen ist Vollendung des bisherigen und zugleich Ausgangspunkt des künftigen Entwicklungsganges abend-ländischer Musikkultur. Anregungen und Ergebnisse euro-päischer Musikpflege erfahren in seinem Werk Synthese und Erfüllung. Seine Quellen Bilden die Schulen in Nord-deutschland (Böhm, Buxtehude), Mitteldeutschland (Kuhnau), Süddeutschland (Pachelbel, Froberger), Italien (Corelli, D.Scarlatti) und Frankreich (Rameau, Couperin).
Als Ordnungsprinzip für Bachs Klavierwerk hat sich eine Einteilung nach seinen 4 Lebensabschnitten bewährt:
Arnstadt(1703-7): u.a.Capriccio B-und E-Dur (BWV 992 + 993).
Weimar (1708-17): 7 Toccaten
Köthen (1717-23): Wohltemp.Kl.I, 6 Engl und 6 Franz. Suiten
Leipzig (1723-50): 6 Partiten, Ital. Konzert und Franz. Ouverture, Goldberg-Variationen, Wohltemp.Kl.II, Kunst der Fuge
Presse:
Südkurier (Konstanz) vom 26.9.2022 zu Nubers Auftritt im Konzilsaal in Konstanz mit Beethovens 3. Klavierkonzert:
„Er präsentierte ein kantiges, durchdachtes Spiel mit virtuos gepfefferter Tonkaskaden-Akrobatik, tief in die Klaviatur versenkt bei pianissimo herausmodelliertem Klang und dem Sinn für dramatische Steigerungen in Episoden und gewaltigen, von Nuber komponierten Solokadenzen. Daraus ergab sich eine Beethoven-Interpretation, die begeisterte und in der Zugabe von Debussys „Feux d’artifice noch einmal artistisch eskalierte.“
„Man möchte den hochbegabten Künstler bald wieder, vielleicht sogar in einem der großen Konzertsäle, wiedersehen. Denn sein Klavierabend war ohne Zweifel ein Ereignis und vermittelte die Bekanntschaft mit einem bisher unbekannten Pianisten, der nicht nur eine ungewöhnliche Persönlichkeit ist, sondern bei einer kontinuierlichen Entwicklung bald zur Pianistenelite zählen könnte. ... Man hat bei seinem Spiel immer das Gefühl des Hineinhorchens bei gleichzeitiger kritischer Auseinandersetzung mit der Partitur. Seine Spieltechnik ist nahezu perfekt und erlaubt ihm den Zugang zu den technisch schwierigsten Werken der Klavierliteratur. ...“ Allg. Deutsche Zeitung für Rumänien 1994
Adavanul de Cluj (Klausenburg) Dez. 1994: Über Nubers Auftritt beim Mozart-Festival in Klausenburg/Rumänien: „... das ungewöhnliche des Festivals wurde erreicht durch die Anwesenheit des deutschen Pianisten Michael Nuber. Von einer ganz außergewöhnlichen Sensibilität, mit seiner extrem expressiven Hand (...) von einer inneren Tiefe, hat Michael Nuber uns À la Chapelle Sixtine und Reminiscenses de Don Juan dargeboten mit dem Pathos und der Bewunderung eines der Welt Entrückten am Rande der Extase.“
Gäubote 2011:… schließlich Chopins „Ballade g-moll“, in der sich Nuber von einem zum anderen Extrem fast bis zur Bipolarität aufspaltete, jede Nuance mit Bedeutung auflud. Kurze Momente der Euphorie wechselten sich ab mit Passagen zusammengebissener Zähne… Ein Triumph auf ganzer Linie für einen Musiker dessen emotionale Verfasstheit nicht nur komplett in seine Musik fließt, sondern sich auch auf beeindruckende Weise in seiner Mimik und Gestik widerspiegelt. Diese alles vereinnahmende Energie belässt nun mal kein Atom an seinem Platz.…“
RZ Februar 2023: Michael Nuber spielt meisterhaft
Der Konzertpianist Michael Nuber bietet alle paar Wochen in Schwäbisch Gmünd fesselnde Konzertprogramme. Sein Spiel ist in jeder Hinsicht auf Top-Niveau. seine Anschlagstechnik erlaubt ihm eine unglaubliche Spannbreite der Dynamik.
Nuber beherrscht alle Techniken für die klassisch-romantische Literatur aber auch weit darüber hinaus, sein polyphones und strukturelles Denken und Fühlen schließt die Werke kammermusikalisch auf und führt den Hörer durch schwierigste Materie.
Am vergangenen Sonntag konnte man der Darbietung einer Auswahl romantischer Werke lauschen von Mendelssohn, Schumann, Chopin und Brahms. Wieder war man vom dem beseelten und packenden Spiel fasziniert. (...)
Die vier ausgewählten Werke von Brahms bestachen durch Innerlichkeit und Leidenschaft, führten aber an vielen Stellen die Hörer zum Übersinnlichen. Michael Nuber spielt solche Werke niemals konventionell. Er analysiert und findet seine Interpretation zum Teil weit ab vom üblichen Weg, aber eben in den vom Komponisten vorgegebenen Strukturen. Er schafft es dabei zu fesseln, er führt seine Zuhörer in ungeahnte Welten.
Gleich beim Capriccio fis-moll aus op.76 stand die Welt manchmal still und Nuber blickte in nicht- irdische Welten und zeigte sie mit seinem Spiel seinen Hörern. Aber auch geballte Leidenschaft in der Rhapsodie h-moll oder im Capriccio g-moll op.116/3 war zu spüren und packte die Menschen im Saal. Interessant war, mit welch freiem Tempo der Pianist die Rhapsodie gestaltete und trotzdem oder gerade deshalb den Spannungsbogen nirgends reißen ließ. Selbst das kleine Intermezzo C-Dur op.119/3 fiel durch Freiheiten des Tempos auf, aber man spürte immer, dass Nuber den harmonischen Gehalt des Werkes im Auge hatte und seine Phrasierung dadurch natürlich atmete und Zusammenhänge freilegte. So polyphon wie bei Nuber wird man selten diese Stücke von Brahms hören. Aber gerade dies führt zu einer interpretatorischen Dichte und einer Farbigkeit im Klang. (...)
RZ zu Liszt-Abend 19.11.2023:
Im zweiten Teil erklangen Bearbeitungen romantischer Opern (aus „Tristan und Isolde“ und „Rigoletto“) und der berühmte Erste Mephisto-Walzer, allesamt Werke der Klasse „fast unspielbar“. Nuber zauberte mit technischen Finessen in der Rigoletto-Paraphrase, spielte atemberaubende Läufe und Dreiklangsbrechungen, Oktaven-Passagen, filigranste Verzierungen und gestaltete aus diesen technischen Elementen reinste romantische Musik. Isoldens Liebestod spielte Nuber in einer gemischten Fassung von Liszt und Moszkowski mit einigen eigenen Veränderungen. Hier zeigte sich die Kunst des langsamen Spannungsaufbaus und die Beherrschung des Orchestralen auf dem Klavier beim riesigen Höhepunkt. Nuber singt nicht nur auf und mit dem Klavier, er schattiert auch die Klangfarben nach den jeweiligen Harmonien.Beim Mephisto-Walzer wuchs der Gmünder Konzertpianist dann nochmal über sich hinaus. Was hier an technischen Raffinessen aller Art gefordert ist, ist unglaublich. Aber Nuber spielt hier nie um der Technik-Vorführung willen, er beleuchtet das Teuflische, den Irrsinn, die Wollust, die intensivsten Leidenschaften, die man sich vorstellen kann. Und das mit einer Sicherheit bei den heikelsten Sprüngen, den irrwitzigsten Läufen, bei den tollsten Kaskaden… Selten ist man dem Teufel und der Liebe so nahe in der Musik, wie in Michael Nubers Interpretation.
Langer Beifall belohnte den Musiker – er wollte eigentlich keine Zugabe spielen. Das Publikum blieb aber einfach sitzen und wurde dann doch noch mit der Romanze aus dem Jahre 1849 belohnt. Ein wunderbar melancholisches und gesangliches Klavierwerk.
Dieser Abend wird sicher lange in Erinnerung bleiben – es war Musik und Spannung pur – eine Sternstunde mit Michael Nuber und Franz Liszt.
„Michael Nuber ist ein Musik-“Entrückter“ am Klavier und man versteht, wenn man ihm lauscht, wie die vergangenen Fabelgestalten Liszt und Paganini ihr Publikum völlig verzaubern konnten, daß man ihnen sogar nichtirdische Kräfte zugeschrieben hatte.“ (RZ)
Michael Nuber studierte an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart bei Prof. Bernhard Kistler-Liebendörfer Klavier, Musikgeschichte bei Prof. Joachim Kaiser weitere Fächer bei den Professoren Uhde, Karkoschka, Gerlach und Gümbel. Seither konzertiert er sowohl als Solist und in verschiedenen kammermusikalischen Besetzungen (Klavierduo, mit Cello, Violine, Flöte sowie als Liedbegleiter). Er gibt jährlich über 30 Konzerte - mit etwa 16 verschiedenen Programmen. Sie führten ihn unter anderem nach Rumänien (Bukarest und Mozartfestival in Klausenburg), in die Schweiz und viele Jahre nach Großbritannien. Wiederholt wurde er engagiert vom Herzog von Württemberg. Teilnahme am Festival „Europäische Kirchenmusik“ in Schwäbisch Gmünd mit einem Liszt-Programm, Engagements bei den Schlosskonzerten in Tettnang, Altshausen, Kunstschloss Hermsdorf/Dresden und Lindach. Schwerpunkte seines umfangreichen Repertoires bilden Bach, Beethoven (alle 32 Klaviersonaten), Schubert, Chopin (Gesamtwerk), Liszt, Skrjabin und Debussy. Seit seinem 16. Lebensjahr widmet sich Michael Nuber auch der Komposition. Seither entstanden außer zahlreichen Klavierwerken einige Sonaten und Albumblätter für Flöte und Klavier, eine Fantasie für Cello und Klavier, ein Trio für Klavier, Flöte und Cello, eine Sonate für 2 Klaviere, ein Duo für Klavier zu 4 Händen sowie eine viersätzige Fantasie für Klavier als Psychogramm einer jungen Frau, die sich in einer ernsten Lebenskrise befindet. Bisher sind es 92 mit Opus-Nummern versehene Werke.
Außerdem schuf er viele Transkriptionen von Liedern von Schumann, Liszt, Fauré, Debussy und Ravel und weitere Bearbeitungen von Werken von Bach, Mozart, Schubert, Franck, Bruckner u.a.