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Löwen Laden Tübingen
In nur knapp zwölf Monaten entwickelte sich aus einer Idee ein funktionierender »Dorfladen« mitten in der Tübinger Altstadt. Unzählige Arbeitsstunden und jede Menge Energie steckten und stecken die Betreiber in den Löwen-Laden, damit es wieder eine Einkaufsmöglichkeit in der Altstadt gibt. Ehrenamtlich, wohlgemerkt.
Im Sommer 2014 platzte die Bombe: der letzte Supermarkt direkt in der Altstadt schließt zum Jahresende! Das wollte eine Handvoll engagierter Bürger nicht hinnehmen und entwickelte die Idee, eine Art Dorfladen mitten in der Tübinger Altstadt zu eröffnen. Bis zur Realisierung verging kaum ein Jahr. Vor Kurzem hat der »Löwen-Laden« seine Pforten geöffnet. Damit der Laden auch läuft, investieren die ehrenamtlichen Mitarbeiter viel Zeit und Energie. »Wir wollten erreichen, dass das Viertel lebendig bleibt«, erklärt Vorstandsmitglied Sabine Eggers. Die Lebensqualität in der Altstadt soll erhalten bleiben, ihre Bewohnern sollen sich auch in Zukunft direkt vor der Haustür mit dem Alltäglichen versorgen können. »Ich fand die Idee eines Genossenschaftsladens von Anfang an gut« erklärt sie ihre Motivation, »ich finde es toll, daran beteiligt zu sein und etwas Neues auf die Beine zu stellen«. Andere zum Mitmachen zu bewegen, war nicht schwer, aus der ganzen Stadt kam Unterstützung. 500 Genossen zählt der Löwen-Laden inzwischen. Viele halten nicht nur Anteile, sondern bringen zusätzlich ihre Arbeitskraft im täglichen Geschäft ein und arbeiten für »ihren« Laden. Besonders Ruheständler finden hier eine Aufgabe, haben die Möglichkeit weiter mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt zu bleiben und sind Ansprechpartner für die Kundschaft. Doch nicht nur Ältere engagieren sich in der Kornhausstraße. »Das geht quer durch die Bevölkerung, von ganz alt bis ganz jung«, weiß Bruno Gebhart, Vorstandsvorsitender und Initiator des Löwen-Ladens, »für viele hier ist es wichtig, dass eine Einkaufsmöglichkeit in der Nähe bestehen bleibt und da wollen sie mithelfen, dass der Laden nicht verschwindet«. Dass ein Lebensmittelgeschäft in der Altstadt gefragt ist, hatte schon eine Bevölkerungsbefragung der Grünen Liste im letzten Sommer gezeigt. »In kürzester Zeit lagen 500 positive Rückmeldungen auf dem Tisch«, erzählt Gebhart, »und das mitten in der Ferienzeit«. Es bestand also Bedarf. Mit diesem Wissen ging alles sehr schnell. Im letzten Herbst wurde eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, im Februar die Genossenschaft gegründet und vor einigen Wochen ging dann das Geschäft los.
Einkaufen vor der Haustür
Aus den anfänglich 150 Genossen wurden bis Mitte Juli 500, darunter auch der Oberbürgermeister. »Aber wir bekommen keine Sonderkonditionen von der Stadt oder dem Hausbesitzer«, stellt Gebhart klar, »wir zahlen dieselbe Miete wie schon der Laden vor uns«. Als Standort kam von vornherein nur der Löwen in Frage. Der wurde zuvor dem scheidenden Lebensmitteldiscounter als Ersatz angeboten, war diesem aber zu klein. »Hätte sich ein anderer Laden hier angesiedelt, hätte sich die Initiative sicher nicht gebildet«, vermutet Eggers, »das hätte dann auch nicht funktioniert.« Aber so gibt es jetzt den Genossenschaftsladen und die Bunte Mischung aus Altstadtbewohnern, aus Tübingern von »jenseits des Fahrradtunnels«, wie Gebhart schmunzelnd sagt, und aus dem restlichen Stadtgebiet hat den Laden sehr gut angenommen. Bis zu 700 Kunden kommen täglich, »manche sogar mehrmals am Tag«, freut er sich. Schon nach den ersten Wochen hatte der Laden einige Stammkunden und wie in einem Dorfladen üblich, kennt und mag man hier ihre Eigenheiten. Mit viel Wärme in der Stimme erzählt Gebhart beispielsweise von einem Mann, der immer erst kurz am Tisch neben dem Eingang verschnauft, bevor er mit seinem Einkauf loslegt. Die Kunden scheinen sich hier gut aufgehoben zu fühlen. »Wir bekommen oft sehr positive Rückmeldungen« sagt Sabine Eggers. Besonders die nicht mehr so mobilen, älteren Kunden kommen gerne in den Löwen-Laden. Die zentrale Lage trägt ihres dazu bei. »Viele ältere Leute genießen es, dass sie selbst einkaufen gehen können, und da machen 200 Meter mehr oder weniger eben schon viel aus« sagt Gebhart mit Blick auf die Supermärkte am Rand der Altstadt. Die Grundversorgung in der Altstadt ist auf jeden Fall erstmal gesichert. Der Hausbesitzer hat zugesagt, das Gebäude in den nächsten fünf Jahren nicht zu renovieren. So lange bleibt der Laden mindestens bestehen – wenn die Kundschaft weiterhin ihren Einkauf vor der Haustür erledigt. Christoph Schwärzler